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                                                                Zuchtphilosophie
                                                                                            Dem Mythos Genetik auf der Spur?

Eine ganz persönliche Abhandlung zum Thema Zuchtphilosophie und Anpaarungen - absolut kein Anspruch auf Expertise oder jedwege empirische Nachweisbarkeit - die Seiten sollen zum nachdenken oder gern auch zur Diskusison anregen, mehr nicht!


Der Übersichtlichkeit halber ist dieses Thema in Absätze aufgeteilt die jeder für sich direkt angeklickt werden können:

1. die Kunst den richtigen Hengst für eine Stute zu finden setzt voraus zunächst einmal den falschen Hengst auszuschliessen
2. Stärken stärken und Schwächen schwächen
3. Genotyp über Phänotyp
4. das Konzept der Inzucht
5. das Konzept der LinienInzucht
6. die Anpaarung von Extremen - Vollblut in der Warmblutzucht


Die Frage die uns gemeinhin alle beschäftigt ist "wie finde ich den richtigen Hengst für meine Stute?"
Ich werde sehr detailliert weiter unten im Text darauf eingehen wie ich selber die Dinge angegangen habe - rückblickend wohl mehr intuitiv dem Erfolg geschuldet - viel wichtiger aber als die Suche nach dem vermeintlich richtigen Hengst erscheint mir das Konzept zunächst den falschen Hengst auszuschliessen. Ein Gebot der Logik, sollte man meinen, eines von unschätzbarem Wert.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Tom Reed vom Morningside Stud in Irland bedanken dessen Thesen ich hier zitieren und verwenden darf. Als ich Toms Analysen das erste Mal las war es ein Augen öffnen und Verstehen im selben Atemzug - ich hätte es nicht besser in Worte fassen können.

        von Tom Reed:     Angenommen es handelt sich um eine sehr gute Stute aus sehr guter Mutterlinie, wie sucht man den passenden Hengst?
                                    Sinnvoll ist es sich zunächsteinmal einen Weg zu suchen die 99% der Hengste die nicht in Frage kommen auszuschliessen:

1
. Nutze keinen Hengst dessen Mutterstamm nicht bereits herausragende Pferde produziert hat. "Herausragend" wird ausdrücklich nicht durch Prädikate (Titel - "gekört", Elite, StPr, etc) definiert, genausowenig wie es sich über hohe Bewertungen in Fohlenschauen definiert. "Herausragend" definiert sich einzig und allein über das (Leistungs)Zuchtziel:
die Zucht von Pferden die sich durch herausragende Leistungen in einer oder mehreren der drei olympischen Disziplinen bewiesen haben.
Ein weiterer Indikator von herausragenden Eigenschaften ist der Urprung mehrer gekörter (i.s.v. "leistungsgeprüft") Hengste aus einem Stutenstamm.
2
. Nutze keinen Hengst der nicht wenigstens einen Halbbruder/-schwester auf internationalem Niveau im Sport vorzuweisen hat oder hatte.
3
. Nutze keinen Hengst über 15 Jahre der nicht bereits einige Nachkommen im internationalen Sport vorzuweisen hat oder hatte.
4
. Nutze keinen Hengst zwischen 8 und 14 Jahren der nicht selber auf internationalem Niveau im Sport erfolgreich war oder ist.
5. Nutze keinen Hengst bis 7 Jahre wenn er sich nicht selber auf nationalem Level (entsprechend seinem Alter) erfolgreich im Sport bewiesen hat oder beweist.
6
. Nutze keinen Hengst der nicht anerkannt ist von einem Zuchtverband der World Breeding Federation for Sport Horses. Dies sind die Zuchtverbände mit ernstzunehmenden Anerkennungskonzepten.
7
. Nutze keinen Hengst der vermarktet wird auf der Basis seiner Farbe oder der exotischen Farbe seiner Nachkommen.

Die Anwendung dieser Regeln bringt es ultimativ mit sich dass eine relativ überschaubare Anzahl von Hengstkandidaten aus der individuellen Auswahl übrig bleibt. Dem folgt dann die konsequente Analyse der Blutlinien der in Frage stehenden Stute um nach erwiesenen "Passerpaarungen" zu suchen.
Dies ist die Stelle an der Kunst und Wissenschaft sich treffen ("This is where art meets science.")
Die vorgeschlagenen Regeln dienen als sinnvoller Leitfaden gerade durch die ersten Jahre der eigenen Zuchterfahrung. Stellt sich der Erfolg mit der Zeit ein wird es notwendig sein einige dieser Regeln bewusst zu brechen um anderen Zielen zu folgen (beispielsweise die Nutzung von Vollblut in der eigenen Zucht). Aber das sollte eine Frage der Erfahrung im Laufe der Zeit mit sich bringen ...
M
eine "Regeln" richten sich an Züchter die den Anspruch haben Pferde mit der Qualität für den internatoinalen Sport zu züchten. In all meinen eigenen Definitionen findet sich das Wort "international" immer - der Ausdruck "Amateur" erscheint gar nicht. Und ja, der zur Verfügung stehende Genpool muss ganz bewusst (im Sinne der Qualität) eingeschränkt werden. Genau das ist der Sinn der Sache.

Die Basis für das Hervorbringen von "Herausragendem" ist immer die Stute. Die Basis für das Herausragen der individuellen Stute liegt in der Konsolidierung von reinen Leistungsgenen in ihrem Mutterstamm. Es ist immer besser nur eine einzige herausragende Stute zu haben als eine handvoll durchschnittlicher Stuten. Wer eine Stute hat die diesen Ansprüchen nicht genügt sollte sie verkaufen, das Geld sparen und sich eine andere dafür kaufen die diesen Ansprüchen genügt oder aber das Geld in ein entsprechendes Stutfohlen/Jährling stecken das dann in relativ kurzer Zeit als Gründerstute für die eigene Zucht dienen kann. Die Stute sollte über die entsprechende "Qualität" verfügen und idealerweise einen Blutanschluss (Vollblut) nicht all zu weit hinten im Pedigree aufweisen. 
Es kann nicht Aufgabe des Hengstes sein Gebäudefehler der Stute auszugleichen
und dies sollte niemals ein Grund sein eine Zuchtentscheidung überhaupt zu treffen. Die meisten Gebäudefehler definieren sich über eine Vielzahl von Genen und können nicht auf einfache Weise manipuliert werden (Bsp. die Stute hat einen langen Rücken darum muss es ein Hengst mit einem kurzen Rücken sein damit das gewünschte Mittel dabei heraus kommt. So funktioniert es nicht!) Wenn die Stute an sich im Hinblick auf Exterieureigenschaften bereits eine Herausforderung darstellt nimm eine andere! 
Sind die genetischen Voraussetzungen zweier Stuten vergleichbar ist die mit dem korrekten Exterieur vorzuziehen. Allerdings bin ich bereit Risiken einzugehen im Hinblick auf suboptimales Exterieur wenn es sich um eine Stute von überragendem Mutterstamm handelt. Warum?


1
. Exterieureigenschaften definieren sich über eine Vielzahl von Genen. Selbst wenn der Gebäudemangel einer Stute genetisch bedingt ist ist nicht garantiert dass sie ihn so auch an ihre Nachkommen weitergibt.  Das beste Beispiel ist meine Stute Emerald Cruising M2S. Sie ging als junges Pferd selber erfolgreich im Sport und hat Springpferdeprüfungen der Klasse L/M gewonnen bis 2001 die Maul- und Klauenseuche in England und Irland den Pferdesport komplett zum erliegen brachte. Ihre Blutführung ist hervorragend (Cruising x Clover Hill x Bliss xx). Ihre Mutter ist Vollschwester zu einem international erfolgreichen Springpferd, Halbschwester zu einem Nationenpreispferd und weitere Halbschwester zu einem national erfolgreichen Springpferd.  Emerald Cruising's Oberlinie ist nicht die beste, aber ich bin das Risiko eingegangen und sie hat hervorragende Nachzucht gebracht die wir in die USA und nach England verkauft haben. Die Oberlinie dieser Pferde ist durchweg gut.   
2
. Exterieureigenschaften können ein Resultat von Entwicklungsprozessen sein und nicht notwendigerweise ein direktes Ergebnis aus genetischen Einflüssen. Entwicklungsprozesse können genetischen Bezug haben, aber sie können auch ein Ergebnis von Fütterung und Aufzucht sein.   

Die Quintessenz ist:

Es spielt keine Rolle wie eine Stute aussieht - wichtig ist allein was sie als Zuchtstute produziert.

 

Hätte ich Tom früher gekannt oder wären mir zuvor so kurze aber überaus zutreffende simple Regeln von "Tun" und "Tun lassen" in die Hand gefallen - es wäre mir eine geringerer Aufwand gewesen mir meine eigene Zuchtphilosophie zu erarbeiten und aufzubauen. Ganz einfach deshalb weil ich mit jeder Stute die ich dazu bekam meine eigene Philosophie - von der ich dachte sie sei bereits allgemeingültig -  verändern oder erweitern musste. Was mich aber lächeln macht während ich dies schreibe ist die Tatsache dass ich ganz offensichtlich am Ende (lernen ist ein dynamischer Prozess, Ende daher keine gute Beschreibung; "bis heute" trifft es besser) zu exakt den selben Erkenntnissen gelangt bin wie Tom sie beschreibt nur dass ich selber ein paar Jahre dafür gebraucht habe mich durch Hengste, Stutenlinien und ihre Nachzucht zu arbeiten und dabei eben langsam Schritt für Schritt meine eigene Zuchtphilosophie erschaffen habe. Die Erkenntnis damit letztendlich zu den selben Einschätzungen gekommen zu sein wie jemand anders der völlig unabhängig von mir dies als "seine" Zuchtphilosophie beschreibt empfinde ich als eine grosse Erleichterung - weil es zeigt dass obwohl alle Wege nach Rom führen, Rom eben die eine Stätte ist zu der wir alle den Weg suchen. Danke, Tom!   

Als ich angefangen habe mich mit der Warmblutzucht zu beschäftigen hatte ich absolut keine Erfahrungen, das einzige was ich besass war meine Fabrice. Meine ganz persönliche Zuchtphilosophie war die Erkenntnis dass eine gute Stute an einen guten Hengst anzupaaren einfach nicht gut genug ist. Wenn es so wäre dann wäre die Welt voll von Superkrachern die alle eines gemeinsam hätten:
das Resultat von gut durchdachten Zuchtanpaarungen zu sein.
Und doch bleiben die meisten eben Papiertiger.
 
Die Realität zeigt dass es zwar eine Menge guter Pferde gibt aber eben nur einige wenige wirklich herausragende. Es muss also mehr daran sein den passenden Hengst zu einer Stute zu finden. Nur den Hengst und seine Nachzucht zu kennen ist nicht alles. Einen sporterfolgreichen Hengst an eine sporterfolgreiche Stute zu paaren reicht allein auch nicht aus. Letzteres ist ein Konzept das von manch prominentem Gestüt in den letzten Jahren mannigfaltig umgesetzt wurde und sicher sind so einige herausragende Pferde gezogen worden - aber eben auch eine Menge normaler Pferde, nur dass über die selten jemand spricht.

Es muss also etwas geben das jenseits der erlernbaren Theorien liegt, unabhängig davon ob auf genotypische oder phänotypische Merkmale abgestellt wird. Etwas, von dem ich dachte dass es sich als ganz offensichtliches Prinzip eigne als ich damals auf der Suche war nach einem Hengst für meine Fabrice war eine simple Erkenntnis die ich damals als meine einzige Zuchtphilosophie auserkoren hatte:

                                                    Stärken stärken und Schwächen schwächen. 

Eine Anschauung die per Definition auf die phänotypischen Merkmale zweier Pferde abstellt.
Ich habe mir meine Fabrice angesehen und eine Liste ihrer Pros und Cons für mich erstellt:

Typ/Kopf - eindeutig herausragend.
Exterieur - abgedreht, nahezu kompakt, sehr harmonische Oberlinie; Abstriche in der Korrektheit der Gliedmassen
Grundgangarten:
Schritt - sehr gut und weit durch den Körper geschwungen
Trab - ausserordentlich taktvoll, kadenziert, gut durchgeschwungen, gerades Vorderbein
Galopp -  ihr Schwachpunkt, gerades Vorderbein, allerdings ein sehr energisches und gut gesetztes Hinterbein

... und schon war ich bei meinem ganz persönlichen Lieblingshengst angelangt, Quattro B, und es war ganz gewiss kein Zufall dass dieser Hengst mich so ansprach, entspricht er doch in seiner Erscheinung ganz und gar den Features die auch meine Fabrice ausmachen:
  
Typ/Kopf - eindeutig herausragend und die Wahrscheinlichkeit war gross dass ein Fohlen dieser beiden nur profitieren konnte von beider Eltern positiven Beiträgen - die Stärken eben.
Exterieur - sehr wie Fabrice, abgedreht, nahezu kompakt, harmonische Oberlinie, der selbe Halsansatz und die Wahrscheinlichkeit dass ein Fohlen nur profitieren konnte von beider Eltern positiven Beiträgen.
Grundgangarten:
Schritt - sehr gut, nichts zu verlieren.
Trab - ähnlich wie Fabrice: naturgegebener Takt und das ist mir das wichtigste (Takt HAT ein Pferd oder es hat ihn nicht), ebenso kadenziert und gut durchgeschwungen, dazu eine runde gefällige Vorderbeinmechanik. Die Wahrscheinlichkeit war gross zumindest ein Fohlen mit beider Eltern Trabqualitäten Minimum zu bekommen, die realistische Chance bestand dass Quattro in der Lage sei noch dazu die Mechanik zu verbessern.    
Galopp - Quattros absolutes Highlight: bergauf und gewaltig durchgesprungen und wieder ein absolut gefälliges Vorderbein dazu.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit konnte ein solches Fohlen im Galopp zumindest nichts verlieren aber ganz sicher eine Menge gewinnen:
Quattros Galoppdynamik eben....

Nach reiflichen Überlegungen erschien es mir smart nicht die Wunschvorstellung eines solchen Fohlens im Idealfall zu beschwören sondern ganz bewusst einmal die potentiellen "Negativa" einer solchen Anpaarung durchzuspielen - was wäre das potentiell negativste das ein solches Fohlen von beiden Eltern mit in die Wiege gelegt bekommen könnte?
ein typvolles Fohlen mit einem hübschen Gesicht und guter geschwungener Oberlinie, harmonisch und abgedreht, mit gutem Schritt, ausdrucksstarkem Trab, hoffentlich beider Eltern Takt beibehaltend, und ein wenig ausdrucksstarker Galopp wie Fabrice ihn eben hat.
Mir war schnell klar dass ich mit einem solchen Fohlen, dem "Negativ-Mass" eben, sehr wohl leben konnte - letztendlich wäre es dann ein Duplikat meiner Fabrice und an der hatte ich ja bereits einen sehr guten Griff getan.
Was mir erst sehr viel später klar wurde im Bezug auf meine Theorie (Stärken stärken, Schwächen schwächen) war dass ich damit intuitiv nach dem perfekten "Match" zu meiner Stute Ausschau gehalten hatte - ein "Passer" sozusagen ... oder, um es in Tom's Worten zu sagen: "Bsp. die Stute hat einen langen Rücken darum muss es ein Hengst mit einem kurzen Rücken sein damit das gewünschte Mittel dabei heraus kommt. So funktioniert es nicht!"
Je höher die "Match"-Quote umso höher sollte die Wahrscheinlichkeit liegen dass das Fohlen auch die gewünschten "matching"-Features beider Eltern in sich vereint. Eine sehr simple Erkenntnis, aber doch recht selten zu hören wenn man mit manch einem Züchter über seine persönliche Zuchtphilosophie spricht.

Ich entschied mich also für Quattro entgegen der wohlgemeinten Kritiken und Zweifel manch eines Züchterfreundes in Bezug auf Quattros französische Abstammung - na und?
Ich hatte mir Quattros Pedigree reiflich angesehen und was mir als erstes auffiel (damals waren mir die sportlichen Leistungsgrössen seiner Ahnen noch reichlich unbekannt) war Furioso xx - der Begründer der heute so erfolgreichen F-Linie über Furioso II. Für mich war das ein überaus vielversprechendes Plus in der Anpaarung mit Fabrice die über Fidermark/Florestan Furioso II in vierter Generation führt, denn bislang haben wir nur über phänotypische Merkmale gesprochen, hier sind wir jetzt beim Genotyp der sicherlich unter dem Aspekt "Stärken stärken, Schwächen schwächen" berücksichtigt werden muss. "Outcross" im Sinne von Anpaarung gänzlich unterschiedlicher (Leistungs)Gene von beiden Seiten beinhaltet sicherlich soviel Chancen wie Risiken gleichermassen. Das Risiko um den Verlust der zuvor besprochenen phänotypischen Matches. Als Outcross aber ist mir die Anpaarung von Fabrice an den Franzosen Quattro nie erschienen.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten einen potentiellen "Match" von Blutkombinationen sicher zu stellen:
1. das Wissen um bereits existente Passerpaarungen die durch so eine (oder eine ähnliche) Kombination hervorgegangen sind um die gewünschten Features zu verstärken - oder, in Tom's Worten: "... Dem folgt dann die konsequente Analyse der Blutlinien der in Frage stehenden Stute um nach erwiesenen "Passerpaarungen" zu suchen. Dies ist die Stelle an der Kunst und Wissenschaft sich treffen."
2. die Suche nach spezifischen prominenten Blutlinien die beide gemeinsam haben und die dominant genug erscheinen um sie in dem in Frage stehenden Fohlen verstärkt zu finden.   
Das Konzept der Inzucht also - ich hatte es soeben für mich entdeckt...

Der Vater des Furioso xx ist der Vollblüter Precipitation der sich in Quattros Pedigree gleich zweimal befindet (wie auch der legendäre Ibrahim, Vater des Almé Z), in Anpaarung mit Fabrice ergibt sich die Inzucht auf diesen wertvollen Blüter also dreifach, wenn auch weit hinten im Papier. Furioso xx war ein Hengst auf den das Risiko der Inzucht unbedingt wünschenswert erschien. "Risiko" im Hinblick auf positive aber eben auch negative Eigenschaften die soetwas verstärken kann. Im Falle von Furioso II dürften die Negativeigenschaften am ehesten mit dem ihm nachgesagten  "hitzigen Temeprament" beschrieben sein - die positiven Eigenschaften jedoch dürften sich in erwiesenem Leistungsblut pur erklären, nicht nur im Hinblick auf seine vielseitige Vererbung, er hat Spring- und Dressurpferde gleichermassen geprägt (Voltaire, For Pleasure oder eben Florestan dem ich anderer Stelle hier eine eigene Seite gewidmet habe).


Das Ergebnis meiner allerersten "Zuchtphilosophie" ist auf diesen Seiten viel besprochen und nachzulesen: QRage I und II, Fabrice's erste Tochter und ihr Sohn von Quattro (mittlerweile gibt es eine dritten Sohn, QRage III) - alle drei haben meine Erwartungen nicht nur erfüllt sondern in vielem sogar übertroffen.

QRage I schien typmässig sogar veredelt im Vergleich zu ihren Eltern, das mag den o.g. Vollblutanteilen geschuldet sein oder schlicht der Tatsache dass sie ein Erstling war der erst später auslegt.
QRage II ("Happy") bestach durch die selben Features die auch seine Schwester ausmachten, ein typvolles Fohlen mit ureigenstem Charme, harmonisches Gebäude und Oberlinie, ausserordentlicher Schritt, gut durchgeschwungenem Trab und einem Galopp der alles das hatte was ich mir von Quattro gewünscht habe: die gefällige runde Mechanik bei deutlichem bergauf und grossem Durchsprung. Das legt die Hoffnung nahe dass er sich auch einmal durch eine dem Galopp nahestehende Qualität auszeichnet: Quattros ungemein basculiertem Sprungvermögen nämlich...
QRage III dürfte der Schönheitskönig aus der Riege von Fabricechens Quattrokindern sein, ebenso ein Volltreffer im Hinblick auf die obengenannten Features und rückblickend (diese Seiten sind bereits einige Jahre alt und Erkenntnisse zur Entwicklung der Fohlen lagen mir zum Zeitpunkt des ursprünglichen Verfassens noch nicht vor) ist er wohl der der dem kompakt.abgedrehten "Match" beider Eltern am nächsten kommt wogegen Happy bereits im zarten Alter von 2 Jahren deutlich über das 1,70er Mass hinausgewachsen ist - wer hätte das gedacht...  Genetik ist und bleibt trotz aller Wohlbedachtheit eben unberechenbar.     


Soviel also zu meiner Zuchtphilosophie, Teil I, die ich bis heute anhand von den drei QRages nicht anders als erfolgreich bezeichnen kann. Möglich dass die Anpaarung von Fabrice an Quattro als eine der seltenen "Passerpaarungen" zu bezeichnen ist (engl.: "nick"breeding) - das muss die Zeit erst zeigen und mit ihr die Fohlen die Fabrice in Anpaarung an andere Hengste hoffentlich noch bringen wird. Erst dann sind Vergleiche möglich die nachhaltig valide Rückschlüsse zulassen auf ihre Vererbungskraft als Zuchtstute an sich und die individuellen Stärken oder Schwächen die sie eben dominant vererbt oder auch nicht.  
Bis dahin lerne ich mit jedem weiteren Fohlen dazu und ganz besonders auch mit jeder weiteren Stute.
Jede Stute ist anders und wenn auch mit Wally als zweiter Zuchtstute eine hinzugekommen ist, die perfekt in Tom's beschriebenes Regelwerk von "damline of excellence" (herausragender Mutterstamm) passt, so habe ich doch schnell festgestellt dass "Matches" zu suchen nur ein Weg ist den passenden Hengst für eine Stute zu finden. Lernen ist eben ein dynamischer Prozess - es wächst....

Und ich habe dazu gelernt.
 

Meine nächste Stute war Wallery K und Wally hat so gar nicht in all meine zuvor beschriebenen Zuchttheorien gepasst im Hinblick auf Typ, Eigenleistung oder ähnliches. Dennoch hat Wally mich als Zuchtstute durch und durch überzeugt - warum - ?
Wallery K stammt aus einem der prominentesten und bewährtesten Stutenstämme den die deutsche Warmblutzucht hervorgebracht hat - all das ist nachzulesen auf ihrer Seite.
Dennoch habe ich sie selber nicht als begehrenswerte Stute angesehen als ich sie zunächst kennen gelernt habe - damals spukten mir in erster Linie spektakuläre Fidermarks durch den Kopf und ich war leicht durch Äusserlichkeiten zu beeindrucken (ich bin es noch immer - keine Frage!). Wally war ein recht unspektakuläres altmodernes Pferdchen ohne grosse Höhepunkte, wenn auch ohne Makel. Es dauerte eine Weile bis sie mich selbst von sich überzeugte und ich danke Familie Karstens noch heute dafür wie sie mich "eingeführt" haben in diese Stutenfamilie und Hintergründe und wie ich selber anhand von jedem einzelnen Fohlen, die zu der Zeit noch reichlich bei Karstens Jahr für Jahr das Licht der Welt erblickten, dazulernen konnte - das war ganz sicher eine sehr prägende Erfahrung für mich weil es die Karstenschen Fohlen waren die ich über die Jahre in ihrer Entwicklung verfolgen konnte und die mich gelehrt haben ein etwas weniger spektakuläres insbesondere junges Pferd nicht gleich auf den ersten Blick zu be- oder gar zu verurteilen - Schaufohlen sind eine Sache - begehrenswerte Reitpferde und bewährte Stutenstämme aus denen sie hervorgehen eine ganz andere.
Was ich da lernte war die schlichte Erkenntnis die sich im englisch liest  "Genotype over Phenotype"- zu gut deutsch: "Genotyp über Phänotyp" was meint: genetisch konsolidierte Werte stehen über dem ersten äusserlichen Eindruck. Oder um es in Tom's Worten zu sagen: "Es spielt keine Rolle wie eine Stute aussieht - wichtig ist allein was sie als Zuchtstute produziert."
Die selbe Aussage lässt sich selbstverständlich auch auf Hengste anwenden, gerade die Vergangenheit und mit ihr die grossen Stempelhengste unserer Zucht die allesamt keinen einfachen Start hatten weil man sie oft schlicht verlacht hat bevor die ersten Nachkommen Jahre später bewiesen dass es sich um Ausnahmevererber handelt sprechen hier eine deutliche Sprache. Ich möchte behaupten ein Cor de la Bryère, Ramzes, Furioso oder Gotthard hätten heute allesamt in der deutschen Pferdezucht gar keine Chance mehr weil sie bereits den rein äusserlichen Anforderungen an heutige Körkriterien nicht genügen und schlicht den Körplatz nach der Vorauswahl gar nicht erst zu sehen bekämen.
Und wo wären wir heute ohne diese Hengste?
Nirgendwo.
... und keiner von denen war übrigens schwarz... aber das nur am Rande...
Genotyp über Phänotyp eben.


So waren es also die Fohlen dieser unspektakulären Wally aus verschiedener Anpaarung die selber zunächst recht unspektakulär (in meinen Augen) daher kamen, deren Entwicklung ich verfolgen konnte und die mir dann recht bald ein Licht aufgehen liessen - insbesondere dann wenn eine spezifische Anpaarung unter verschiedenen sich als eine ganz offensichtliche "Passerpaarung" herausstellen sollte. Im Falle von Wally war dies die Anpaarung an Beltain. Und ganz  bewusst haben Karstens hier eine weitere Idee in ihrem Zuchtkonzept verfolgt die mir so noch gar nicht bekannt war: das Konzept der LinienInzucht. Wally und Beltain stammen beide aus dem selben Stutenstamm und es war Karstens ein bewusstes Anliegen die Qualitäten dieses Mutterstammes genetisch zu konsolidieren. Nachdem ich die ersten drei Kinder aus dieser Anpaarung, Babbalou, Belle Grande und Bobbilano, zunächst als Fohlen und später unter dem Sattel beobachten konnte war mir einiges klar geworden: ein gutes Pferd muss als Sattelpferd bestechen - durch Eigenschaften die man schlicht nicht dranreiten kann sondern die naturgegeben unter dem Sattel zum tragen kommen müssen:
Takt, bergauf, Raumgriff, Kadenz - die Pferde waren unter dem Sattel nicht wieder zu erkennen und es sollte eine Erfahrung sein die ich später noch an manch einem Pferd machen sollte.  
Wallery's Fohlen von Beltain trugen allesamt diesen Stempel.
Und dann war da noch die Sache mit der Hinterhandaktivität - insbesondere in der heutigen Zeit ein vielbesprochenes Wort in aller Munde und manchesmal hat man den Eindruck da wird offensichtliche Aktion mit reellem abfussen und der Fähigkeit unter den Körper zu fussen doch stark in einen Topf geworfen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Auffällige Aktion mag offensichtlich sein aber nicht notwendigerweise wertvoll. Ein fleissiges abfussen und natürliches untertreten das nicht erst "gemacht" werden muss (Spektakel oder drangeritten) ist mitunter weniger offensichtlich aber doch deutlich wertvoller.
 

Mittlerweile war mir der Wert eines konsolidierten Stutenstammes im Hinblick auf Leistungsgene bewusst. Es versteht sich ähnlich wie meine oben beschriebenen Ideen von dem "Match" - je grösser die Dichte konsolidierter Leistungsgene je höher die Wahrscheinlichkeit dass diese auch in der Vererbung weitergegeben werden. Eine Garantie gibt es auch hier nicht - züchten ist und bleibt ein Glücksspiel. Aber wohlbedachte Anpaarungsideen (Match, Passerpaarungen, Inzuchteffekte) können den Lauf der Kugel zumindest in ihrer Richtung (Streuung) auf der Roulettscheibe ein wenig einschränken.
Als ich damals Fabrice kaufte war ich mir all dieser Dinge nicht bewusst. Ich kannte ihre Mutter und eine weitere Halbschwester und an diesen Pferden gab es nichts auszusetzen. Erst später stellte sich heraus dass die Anpaarung von Fidermark an die Frühlingsballstute Feodora ganz offensichtlich auch soetwas wie eine Passerpaarung sein sollte - fünf überzeugende Vollgeschwister sprechen da für sich. Das konnte ich damals noch nicht wissen, ich hatte einfach Glück gehabt als ich mich durch Fabricechens überaus gefälligen Äusserlichkeiten hinreissen liess.
Wallery K dagegen war ganz sicher der lebende Beweis für eine Zuchtstute bei der der Genotyp über dem Phänotyp steht und es stimmt mich sehr traurig dass dieser wertvolle Stutenstamm nach dem tragischen Verlust von Wally im Jahr 2007 nun in meiner kleinen Zucht verloren ist.   

So weit war ich also gekommen auf meiner ganz persönlichen Lernkurve zur Zuchtphilosophie bis ich dann einer völlig neuen Herausforderung gegenüber stand:


Die Anpaarung von Extremen und die Notwendigkeit von Vollblut in der Warmblutzucht


Die nächste einschneidende Erkenntnis war dann das Verstehen um die absolute Notwendigkeit von Vollblut in der Warmblutzucht, ein latenter Mangel und ein grosses Problem das sich wie ein roter Faden durch nahezu alle etablierten Zuchtgebiete zieht. Jeder redet darüber aber nur wenige haben den Mut das Risiko in Kauf zu nehmen. Und ein Risiko ist es nunmal denn hier kreuzt man Extreme zweier Rassen miteinander an die seit hunderten von Jahren gänzlich unterschiedlichen Zuchtzielen in ihrer Entwicklung folgen. Mehr noch: während das Warmblut sich allein in den letzten fünfzig Jahren ständig verändert und ständig nach modernen Sportpferdeansprüchen "optimiert" wird und daher einem steten und doch gleichermassen dynamischen Wandel in seiner phänotypischen Ausprägung unterliegt verfolgt das Vollblut seit Jahrhunderten konstant nur ein einziges Zuchtziel: Schnelligkeit. Es wäre also geradezu vermessen anzunehmen beim spontanen Einsatz von Vollblut gleich das ideal veredelte Warmblutpferd das modernsten Ansprüchen genügt zu züchten - es geht gar nicht. Die ideale Mitte eines solchen F1-Produktes gibt es selten bis gar nicht. Suboptimale Ausprägung von Vollblutmerkmalen im Hinblick auf WB-Einsatz sind die Regel insbesondere im Hinblick auf Hinterbein (Winkelung und Einschienung), Schulter/Halsaufsatz und die gewünschte aufwändige Dynamik in den Grundgangarten die nunmal ganz besonders dem  Zuchtziel des Vollblüters diametral entgegenläuft: ein Vollblüter zeichnet sich aus durch effiziente flache Bewegungsabläufe die Zeit und Kraft gleichermassen sparen. Weshalb gemeinhin die Rede davon ist erst in der F2 Generation die gewünschten Veredlungseinflüsse bei hoffentlich gleichzeitiger Kompensation eventueller negativ-Einflüsse zu erhalten. Aber auch das funktioniert nur durch bewusste Anpaarung der F1-Generation dann wieder an einen geeigneten Warmblüter der selber wiederum nicht ganz blutlos sein sollte um eben besagte "Extreme" nicht wieder zu verstärken sondern idealerweise zu "matchen". Konsolidierung von Blutanteilen ist das Stichwort und es meint nichts anderes als kontinuierlich alle drei bis vier Generationen Vollbluteinfluss anzupaaren um so eine dauerhafte vorteilhafte genetische Konsolidierung zu erzielen.         
Je mehr ich mich mit der Thematik "Vollblut" auseinander gesetzt habe - und gerade im Bezug auf Einsatz in der Warmblutzucht sind werthaltige Ergebnisse eben Mangels kritischer Masse einzelner Hengste oder gar Stutenlinien nur schwer zu finden - um so grösser wurde der Wunsch selber mit einer Vollblutstute zu züchten. Aus Sicht des Warmblutzüchters gleicht mein Ansatz der bewussten Neuerfindung des Rades entgegen widrigster Umstände: statt einen der wenigen erwiesenen Vollbluthengste zu nutzen stellt der Einsatz einer Vollblutstute über die keinerlei Erfahrungswerte vorliegen bezüglich ihrer Vererbung im Hinblick auf Warmbluteigenschaften ein noch grösseres Risiko dar. Selbst das Wissen um ein nach Vollblutmasstäben gediegenes Papier ist nur bedingt hilfreich, lassen sich wohl innere Werte wie Leistungsbereitschft oder Härte bedingt am Papier festmachen so ist doch spätestens bei der Vererbungswahrscheinlichkeit von Exterieureigenschaften und Grundgangarten/Bewegungsdynamik das Buch zu. Prinzip Hoffnung dominiert hier mehr als alles andere und der nötige Idealismus ist gefordert... 
Oder um es in Tom's Worten zu sagen: Die vorgeschlagenen Regeln dienen als sinnvoller Leitfaden gerade durch die ersten Jahre der eigenen Zuchterfahrung. Stellt sich der Erfolg mit der Zeit ein wird es notwendig sein einige dieser Regeln bewusst zu brechen um anderen Zielen zu folgen (beispielsweise die Nutzung von Vollblut in der eigenen Zucht). Aber das sollte eine Frage der Erfahrung im Laufe der Zeit mit sich bringen ... "As you become successful you will need to violate some of these rules to achieve other goals (for instance, to introduce more "blood" into your breeding program). But that's down the road..."
.... und genau da befand ich mich nun, "violating"... all die sinnvollen zuvor besprochenen handfesten Regeln brechend...

Auf der Suche nach der perfekten Vollblutstute für die Warmblutzucht wurde mir eines sehr schnell klar:
Die perfekte Vollblutstute gibt es nicht. Wenn es so wäre hätten wir nicht dieses hartnäckige Problem vom Vollbluteinsatz in der Warmblutzucht...
Als ich also meine Suche begann hatte ich eine Liste von Merkmalen die ich in einer solchen Stute suchte:

1. Pedigree
Es sollte schon ein Papier sein von Wiedererkennungswert auch innerhalb der Warmblutklientel.
Idealerweise "Nearco-frei" wie man hierzulande so schön sagt zum einen weil der US-Vollblüter oft exterieurmässig noch etwas weiter entfernt ist von den rein europäischen Linen, zum anderen weil dieser Hengst derart stark in der globalen Vollblutzucht verankert ist dass spätere Anpaarung an vollbluthaltige Warmblüter diesen Einfluss ohnehin mit sich bringen würden und man sich langfristig die genetische Breite erhalten möchte.
Der Wiedererkennungswert war mir wichtig weil eine solche Stute zwangsläufig zur Eintragung einer mehr oder weniger weltoffenen Warmblutkommission vorgeführt werden muss - das Glas ist halb voll - das Glas ist halb leer. In manch einem Zuchtgebiet ist es von vornherein halb leer, auch das habe ich bald gelernt... Dennoch: Exterieurbedingte Abstriche hin oder her: auch wohlmeinende Warmblutkommissare sind nur Menschen und man sollte es ihnen nicht all zu schwer machen mit potentiellen Abstammungen oft unaussprechlicher unbekannter Namen ...
Das selbe trifft zu auf potentielle Käufer der späteren Fohlen: der Mensch ist nunmal ein Gewohnheitstier und fühlt sich einfach besser wenn er das Gefühl hat zu wissen was er da kauft....
Die Frage des Papiers war also nicht zuletzt auch ein Frage des Labels.
schnöde Erkenntnis nicht ganz ohne Selbstzweck.

2. Fokus auf Rennpferde die auf langen Distanzen erfolgreich sind mit Rennleistung idealerweise über mehrere Jahre.
Warum?
Wenn überhaupt dann zeichnet ein Blüter sich durch die Fähigkeit langanhaltend und ausdauernd Leistung zu bringen für die Warmblutzucht aus:
Gesundheit, Härte, Ausdauer - Steher, keine Speedpferde.
Die Anforderungen an ein Sportpferd gerade im Bereich Dressur oder Vielseitigkeit erfordern Durchhaltevermögen deutlich über ein oder zwei Minuten der Höchstleistung hinaus und ganz besonders der Trainingsweg dorthin zeichnet sich aus durch jahrelange Arbeitseinheiten von 20-30 Minuten "Höchstleistung" pro Tag nach erbrachter Lösungsarbeit, nicht aber durch Trainingsrunden die sich ebenfalls in zwei Minuten Hochleistung erschöpfen.
Die Physiognomie eines Warmblutsportpferdes funktioniert gänzlich anders als die eines Vollblüters. Es ist ein bisschen als wolle man den Dieselmotor eines Traktors mit einem Rennwagen vergleichen - gänzlich andere Leistungsschwerpunkte.
Diesen Punkt habe ich mit einem amerikanischen Freund lange diskutiert und er fragte ganz spontan:
warum suchst du nicht zu allererst mal nach einem Steeplechaser (Hürdenpferd)?
Der würde dann immerhin schonmal gewünschte Sprungtalente mit auf den Weg geben - ?
Point taken.
Daran hatte ich bislang noch gar nicht gedacht.    
Zwei Gründe die dagegen sprachen:
1. ich selbst kenne keinen einzigen Steeplechaser - wie sieht es da mit dem Wiederkennungswert in der breiten Warmblutschaft aus die weit weniger vollblutorientiert ist als ich das wahrscheinlich nur bin ?
Hürdenrennen sind eine weitere Welt für sich und ganz sicher in der angelsächsischen Vollblutszene weit stärker verankert als in unserer deutschen.
Ich hatte aber bereits genug damit zu tun mich auch nur in Ansätzen mit der deutschen Vollblutszene auseinanderzusetzen...
2. Blüter und auch Buschpferde springen sehr wohl, keine Frage - "they get the job done" - aber das ist weit entfernt von dem was wir als Springpferd unter Warmblutansprüchen bezeichnen. Springpferde im engeren Sinne sind wiederum ein Spezialistentum für sich, Technik, Bascule und Vermögen wiederum Eigenschaften die gezielt über Generationen verankert und angezüchtet sind.
Die Quadratur des Kreises schien ohnehin schon schwer genug...

3. Schritt
Der Schritt der Mutter ist ein leicht zu erkennendes Attribut auf jeder Fohlenschau - schlechter Schritt der Mutter hat ultimativ zur Folge dass das Fohlen bereits kritischer beäugt wird. Abgesehen davon dass ein guter Schritt ohnehin selbstverständlich sein sollte.
Bei all den Stuten die ich mir angesehen habe war ein guter räumender Schritt durch den Körper am schwersten zu finden.
Dabei widerspricht ein guter Schritt in keiner Weise gewünschten Rennpferdeausprägungen.
Es wird nur in keiner Weise darauf geachtete weil er für das Zuchtziel des Vollblüters eher bedeutungslos ist.

4. Trab
Das zweite offensichtliche Merkmal das man bei einer Fohlenschau offensichtlich zu sehen bekommt - ganz egal wie schwunglos die Stute an der Hand auch vorgestellt wird:
spezifische Trabmerkmale wie Antritt oder fleissiges abfussen oder natürlich gegebener Durchschwung und Lockerheit sind erkennbar
Abgesehen davon dass auch ein guter Trab so selbstverständlich wie ein guter Schritt sein sollte...
Tatsächlich sind die meisten Vollblutpferde mit einem ordentlichen Hinterbein i.S. der Funktion ausgestattet:
schleppendes abfussen oder "hinten raus" sind mir selten bis gar nicht untergekommen (das haben wohl erst die Warmblutexperten drangezüchtet...).

5. Gebäude
hauptsächlich im Hinblick auf Schulter und Halsaufsatz sowie der nach meinen Erfahrungen meist in der Winkelung damit korrespondierenden Hinterhand/Kruppenformation - eine steile Schulter geht oft einher mit einer ebenso steil gewinkelten Hinterhand, ideale Schulterschräge korrespondiert oft mit eben solchen idealen schrägen und ideal gehebelten Hinterhandwinkeln i.S. der Warmblutzucht 

6. Hufe
Schwer zu glauben dass dies die Rasse sein soll die wir gerade im Hinblick auf Härte einkreuzen... Ich habe selten so viele flache Hufe und rassebedingt niedrige Trachten gesehen - Fühligkeit scheint ein ausgeprägtes Vollblutphänomen zu sein.
Beschlag ist in der Vollblutszene offensichtlich noch notwendiger als bei den Warmblütern.
Man staunt...  
 
7. Farbe
Dies ist der Punkt der mich am meisten verzweifeln liess - und das mir, die stets von sich behauptet ein gutes Pferd habe keine Farbe und schwarz ist eh nicht mein Ding... Ich hatte die perfekte Stute schon gefunden, in jeder Hinsicht, und sie war Schimmel... Es hat mich zerrissen, aber da ich nunmal in erster Linie keine Springpferde züchten will verbietet sich eine schimmelige Zuchtstute von vornherein:
es ist ohnehin schwer genug und oft unmöglich ein Halbblutfohlen auch nur kostendeckend zu vermarkten - mit einer Schimmelstute kauft man sich zwangsläufig ein weiteres 50% Risiko auf Käuferausschluss ein - bitter, aber wahr.
Ich habe diese Stute schweren Herzens nicht gekauft und bereue es noch heute. Sie ging später an einen Züchter der sie mit Vollblutarabern anpaaren wollte, dort ist ein Schimmel gern gesehen - ihre Nachzucht dort würde mich brennend interessieren....

8. Galopp ...
tatsächlich habe ich es ruckzuck aufgegeben den Anspruch an einen guten Galopp zu stellen.
Wie ein bekannter Pferdemann mir einmal erklärte:
Vollblüter RENNEN, aber sie können nicht galoppieren...
Der Mann hat recht.
Aus all den oben bereits ausführlich beschriebenen Gründen verbietet es sich in einem Vollblüter nach einem ausdrucksvollen warmblutgerechten Galopp zu suchen.


Als ich Ionia dann gefunden hatte und mich aus all den oben beschriebenen Gründen für sie entschied stellte ich schnell fest dass das erst der halbe Weg war denn jetzt begann die Suche nach dem passenden Hengst.... Dachte ich zuvor die Quadratur des Kreises bereits mit der Suche nach der passenden Stute vollbracht zu haben musste ich nun feststellen dass die Hengstsuche sich nicht weniger kompliziert darstellte...  Wieder hatte ich ein paar Ansprüche im Kopf denen der passende Hengst unbedingt entsprechen sollte:

1. aus oben beschriebenen Gründen der "Konsolidierung" von Blutanteilen um einer Anpaarung von Extremen weitestmöglich auszuweichen sollte der Hengst selber Vollblutanteile nicht all zu weit hinten mit sich führen, idealerweise mehrfach - konsolidiert eben. Blut braucht Blut um positiv zu wirken lautete nicht ganz ohne Grund eine alte Züchterweisheit.
Die Anpaarung von Extremen liefert oft in der F1-Generation entweder das eine oder das andere Elternteil in häufig negativer Ausprägung, nicht aber das gewünschte Mittel ...Toms Regel eben: "die Stute hat einen langen Rücken darum muss es ein Hengst mit einem kurzen Rücken sein damit das gewünschte Mittel dabei heraus kommt. So funktioniert es nicht!". Zumindest annähernd wollte ich bestrebt sein "Matches" anzupaaren.

2. Doppelvererber
Selbst wenn das Fohlen nicht notwendigerweise den gewünschten Idealen an eine Dressurpferdeanpaarung entspricht so kann ein gut gezogener Halbblüter immer ein gutes Sportpferd sein und potentielle Springanlagen sollten keineswegs ausgekreuzt werden durch Anpaarung an einen reinen Dressurvererber. 

3. "Stempelhengst"
Das wichtigste Kriterium für mich und nicht nur im Hinblick auf Wiedererkennungswert und späteren Verkauf (wie auch bei der Stute beschrieben) von bedeutender Relevanz.
Es war klar dass ich mit einer Vollblutstute über deren Vererbungskraft insbesondere im Hinblick auf Einsatz in der Warmblutzucht gar nichts bekannt ist, keinerlei Experimente eingehen wollte: ein Junghengst, egal wie spektakulär und vielbesprochen, kam überhaupt nicht in Frage. Es sollte ein bewährter Vererber sein, schon deshalb, weil ich mir ein Stutfohlen aus einer solchen Anpaarung unbedingt als Gründerstute eines eigenen Stutenstammes erhalten möchte - und da kommt eine kurzlebige Modeabstammung nunmal nicht in Frage...

4. ... Punkt vier habe ich aus Gründen der gesunden Selbsterhaltung schnell vergessen weil schon die ersten drei aufgeführten Punkte schier unlösbar sind...

Ein bewährter Stempelhengst mit Blutanschluss und erwiesener Doppelveranlagung ist schlicht nicht existent. Spontan fallen mir zu diesen Attributen nur einige wenige Hengste ein die das Label Stempelhengst verdienen, darunter ein Argentinus, der sich vor allem auch als potentieller Doppelvererber empfiehlt. Doch fehlt Argentinus eine ganz entscheidende Voraussetzung im Hinblick auf die Anpaarung an eine Vollblutstute: er weist nirgendwo ein Tröpfchen Edelblut auf und erhöht damit das Risiko in der F1-Generation eines dieser wenig erwünschten "Extreme" zu zeugen und sich so weiter vom gewünschten Mittelmass aus beiden Eltern zu entfernen. Bliebe Quattro B. Auf Quattro halte ich grosse Stücke, wenn er auch den reinen Vollbluteinfluss selber nur spärlich gesäät recht weit hinten führt. Mit der erwiesenen Eigenleistung und der mittlerweile hocherfolgreichen Nachzucht in allen drei olympischen Disziplinen (Toms erste Regel!) wäre er eigentlich eine Idealbesetzung.  Doch halte ich die deutsche Warmblutzucht bei aller Liebe mental noch nicht für weit genug einen französischen gezogenen Hengst als "bewährten Vererber" im Hinblick auf Stempelhengsteigenschaften zu akzeptieren. Das Prädikat "französisch" ist in deutschen Köpfen einfach noch zu sehr negativ belegt im Hinblick auf Rittigkeit und Reiteigenschaften, ganz egal ob der in Frage stehende Hengst dem entspricht oder nicht. Einen blutgeprägten Stutenstamm auf einen Franzosen aufzubauen erscheint mir derzeit noch wenig konstruktiv. In zwanzig Jahrne mag das anders aussehen.
Ich habe dann ernsthaft auch einige Trakehnerhengste erwogen, habe aber auch das recht schnell wieder verworfen:
Die Trakehnerpopulation ist zu klein und aufgrund ihrer geringen Dichte ungeeignet um in der Breite und insbesondere über ihre spezifischen Zuchtgebietsgrenzen hinaus den gewünschten Wiedererkennungswert zu erzeugen. Auch fehlt mir selbst das nötige Rüstzeug einen in Frage stehenden Trakehner Hengst selber anhand einer hinreichend grossen kritischen Masse von Nachzucht zu beurteilen.
 
Ich habe daher schweren Herzens das Kriterium der Doppelveranlagung zunächsteinmal aufgegeben. Statt dessen habe ich nach einem bewährten Dressurvererber von exzellenter Abstammung gesucht - und da lag Brentano II aus allen bekannten Gründen (weitgehend erläutert unter Beltain, Wallery K und Brentano II) sehr nahe. Hervorgegangen aus einer "Damline of excellence" weist Brentano in den ersten vier Generationen mit Black Sky, Bleep und Marcio gleich dreimal Vollblut aus, eine echte Rarität also und damit umso wertvoller in seiner Eigenschaft als Vererber in der heutigen Zeit. Inwieweit er damit in Anpaarung an mein Igelchen den Hoffnungen an eine Idealanpaarung gerecht wird, das muss die Zeit erst zeigen. Erfolgreiche Zucht lässt sich nuneinmal nicht allein auf dem Papier bestreiten

Es war eine sehr lange mentale Reise die mich schliesslich hierhin gebracht hat und ich bin auch heute noch weit davon entfernt zu sagen ich sei schon am Ziel angekommen. Was mich am meisten überrascht hat war wie schnell ich genötigt war einige meiner vermeintlich festen Prinzipien resultierend aus den ersten  oben beschriebenen Zuchtphilosophien aufzugeben. Tatsächlich bin ich schneller an dem Punkt angekommen den Tom als "violating" beschrieben hat als ich es selbst je für möglich gehalten hätte. Die Anpaarung von Vollblut sprengt jede warmblutgültige Theorie. Und selbst während ich dies schreibe (der ursprüngliche Text lag lediglich im englischen vor und ist bereits einige Jahre alt) befinde ich mich erneut in einem Zustand des "Violating":
Ionia hat mit Balahé und Brooklyn mittlerweile zwei Stutfohlen von Brentano zur Welt gebracht und wird in diesem Jahr erstmals an einen a) Junghengst und b) noch dazu blutlosen Junghengst angepaart und wieder glaube ich gute Gründe dafür zu haben (Bennetton - warum - ?) - ich betrachte das ganze als stete Weiterentwicklung und Experiment auf meiner ganz persönlichen Lernkurve. Ganz besonders ihre zweite Tochter Brooklyn gibt mir Grund zur Annahme dass diese Idee durchaus ihre Berechtigung haben kann. Und so sitze ich hier und hoffe im Sinne der Pferdezucht ganz einfach dass mir mein Idealismus noch lange erhalten bleibt. Denn züchten heisst in Generationen denken. 
          
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