warum Brentano II ?
Brentano II von Bolero x Grande
Mit seinen inzwischen 23 Lenzen zählt Brentano zu den wenigen bewährten
Vererbern, die dieses Prädikat überhaupt verdienen: ein Reitpferdemacher par
Excellence dessen Vorzeigekinder Brentina, Beauvalais und Barclay im
internationalen Dressurviereck von sich reden machen - ein Hengst, dessen
Nachkommenschaft in jedem Zuchtgebiet willkommen und gesucht ist (das durfte ich
aufs anschaulichste anhand der Resonanz auf meinen Brasil am eigenen Leibe
erfahren), ein Hengst, der eigentlich nur eine Makel hat:
es gibt bis heute in Hannover keinen Sohn von ihm, der als zukünftiger
Lordsiegelbewahrer des Brentano II gelten mag ...
Obwohl er bis heute über 17 gekörte Söhne verfügt ist keiner dabei, der seinem
Vater selbst im hohen Alter von 23 Jahren den Rang abzulaufen droht. In Ankum
zählt Brentano - seit seiner "Renaissance" im Jahre 2003, als man ihn ob der WM-
und Olympiaerfolge seiner Kinder zum "Hengst des Jahres" gekürt hat, zu den
"Deckstellenmachern" - wann immer ich in diesem oder letzten Jahr vor Ort war um
Frischsamen abzuholen (der sich trotz des hohen Alters des Hengstes allerbester Qualität
erfreut!), waren andere mit mir dort - und sie kamen von überall her -
Brentanos Beliebtheit geht weit über die Grenzen des Zuchtgebietes Hannover
hinaus. Dabei war es einige Jahre recht still um ihn geworden, nicht zuletzt
deshalb, weil er eben nicht als klassischer "Fohlenmacher" gilt - angesichts der schillernden Modehengste der
Fraktionen S, D oder R, die allein schon aufgrund ihrer medialen Präsenz einen
überproportionalen Zuspruch geniessen, gerät so ein "alter Fuchs" von
traditioneller (will meinen: "altmodischer") Abstammung schnell in
Vergessenheit. Da müssen seine Kinder dann erst zu Sattelpferden heranreifen und plötzlich fragt sich alle
Welt: was ist eigentlich mit Brentano?
Nun muss ich der Fairness halber gestehen, auch ich bin erst über Umwege auf
diesen Hengst gestossen - und dieser Umweg war
Beltain. Beltain ist nahezu blutdentisch gezogen zu Brentano II, über Bolero
Grande Ferdinand Marcio Duellant fehlt ihm lediglich der Ferdinand im fallenden
Mutterstamm. Beide Hengste stammen aus der legendären Zucht des Dr.Max Schulz,
Stellenfleth, und damit wohl dem erfolgreichsten und traditionellstem
Mutterstamm der hannoverschen Zucht überhaupt. Beltain habe ich an anderer
Stelle auf dieser HP eine eigene Seite gewidmet.
Der Zufall wollte, dass sich Beltain als Pachthengst des Landgestütes in
Warendorf im Besitz guter Freunde aus Münster befand, Familie Karsten. So konnte
ich die Entwicklung diverser Fohlen des Beltain aus nächster Nähe erleben und
was ich sah hat mich begeistert: insbesondere die Nachzucht unserer Wallery K (StPrSt
von Wandervogel Bolero Grande, ebenfalls Stamm des Max Schulz) hat mich in ihrem
Heranwachsen und der späteren Erscheinung unter dem Sattel schlichtweg
überzeugt. So war es von Anfang an klar, dass Wally, die ich gemeinsam mit einer
Freundin von Familie Karstens erwarb, unbedingt von Brentano II gedeckt würde,
sollte Beltain nicht mehr zur Verfügung stehen. In der Blutidentität beider
Hengste lag unserer Hoffnung begründet, mit Wally das fortzusetzen, was Familie
Karstens mit ihr in Anpaarung mit Beltain begonnen hatte: bewegungsstarke und
qualitätsvolle Nachzucht, durch die sich ein roter Faden zieht.
War es zunächst also die Assoziation zu Beltain, die mich mit Brentano II
verband, so entwickelte er im Laufe der letzten Jahre doch eine starke
eigenständige Identität in meinem Bewusstsein. Je mehr ich mich mit Brentano und
seiner Nachzucht beschäftigte, desto häufiger begegnete mir ein Attribut an
allererster Stelle: Rittigkeit. Eine Eigenschaft, die seine Nachzucht gerade
unter Amateuren beliebt und gefragt macht. Eine Eigenschaft, die ihn aber auch
für Profis ausserordentlich interessant macht: diese Pferde lassen sich fordern.
Darüberhinaus steht er in dem Ruf "Sattelpferde" zu machen - Pferde, die im
Fohlenalter nicht unbedingt als Lampenaustreter und Strahlemänner von sich reden
machen, jedoch später unter dem Sattel schön werden und zum begehrenswerten
Reitpferd reifen. Ich erinnere mich selber noch gut an einen Brentano-Sohn
(Fuchs natürlich :-) der häufig zum Training bei uns im Stall war: sobald dieses
Pferd sich in Bewegung setzt konnte ich meine Augen nicht mehr von ihm lösen:
ein Traumtyp unter dem Sattel der speziell in den versammelten Lektionen
schlicht über sich hinaus wuchs. Ein ähnliches Erlebnis dieser Art hatte ich
dann einmal in einem Ausbildungsstall, in den ich auf der Suche nach einem
Verkaufspferd geriet: dort wurde gerade eine spektakuläre und recht edle Remonte
unter dem Sattel gearbeitet und ich war ganz einfach "hin und weg" von diesem
Pferd und seiner Ausstrahlung unter dem Sattel. Auf meine Frage, was dies denn
für ein Pferd sei war die Antwort: ein Brentano aus einer Vollblutstute!
Wer hätte das gedacht?
Brentano entwickelte sich also im Laufe der Zeit weg von der "Alternative" zu
Beltain, hin zu der echten Alternative für Wally und auch meine Vollblutstute,
die jedoch erst viel später kommen sollte.
Als ich dann später auf der Suche nach einem bewährten Vererber für meine
Vollblutstute Ionia xx war, war es also wieder Brentano
II, der sich gleich aus zweierlei Gründen empfahl: zunächst einmal war klar,
dass ich mit einer Vollblutstute, über deren Vererbungskraft insbesondere im
Hinblick auf Einsatz in der Warmblutzucht gar nichts bekannt ist, keinerlei
Experimente eingehen wollte: ein Junghengst, egal wie spektakulär und
vielbesprochen, kam überhaupt nicht in Frage. Es sollte ein bewährter Vererber
sein, schon deshalb, weil ich mir ein Stutfohlen aus einer solchen Anpaarung
gern als Gründerstute eines eigenen Stutenstammes erhalten möchte - und da kommt
eine kurzlebige Modeabstammung nunmal nicht in Frage. Doch die Suche nach dem
bewährten Vererber gestaltete sich nicht einfach: spontan fallen mir zu diesem
Attribut nur einige wenige Hengste ein, darunter ein Argentinus, der sich vor
allem auch als potentieller Doppelvererber empfiehlt. Doch fehlt Argentinus eine
ganz entscheidende Voraussetzung im Hinblick auf die Anpaarung an eine
Vollblutstute: er weist nirgendwo ein Tröpfchen Edelblut auf und erhöht damit
das Risiko, in der F1-Generation eines dieser wenig erwünschten "Extreme"
zu zeugen und sich so weiter vom gewünschten Mittelmass aus beiden Eltern
zu entfernen. Brentano jedoch weist in den ersten vier Generationen mit Black Sky, Bleep und Marcio gleich
dreimal Vollblut aus, eine echte Rarität also und
damit umso wertvoller in seiner Eigenschaft als Vererber in der heutigen Zeit.
Inwieweit er damit in Anpaarung an mein Igelchen den Hoffnungen an eine
Idealanpaarung gerecht wird, das muss die Zeit erst zeigen. Erfolgreiche Zucht
lässt sich nuneinmal nicht allein auf dem Papier bestreiten.
Ob ich damit auch den Anspruch an eine potentiellen Doppelvererber gänzlich
aufgegeben habe wird sich zeigen: immerhin besteht Brentanos Mutterstamm mit
Grande, Ferdinand und Duellant aus reinstem Leistungsblut in jeder Hinsicht dem
Hannover nicht zuletzt über die G-Linie seine bedeutendsten Springvererber
verdankt.
26.4.2007
Heute bin ich erneut in Ankum gewesen um wieder einmal Samen von Brentano II
abzuholen - ich wäre mehr als glücklich wenn Ionia im nächsten Jahr ein weiteres
Fohlen von Brentano bekommt.. Ich war früh morgens dort und hatte das grosse
Glück Brentano auf dem Paddock erleben zu dürfen -
und
ich war begeistert von diesem Hengst der selbst im Alter von inzwischen 24
Jahren noch immer frisch und gesund regen Anteil an seiner Umgebung nimmt. Beine
so klar, da träumt manch ein vierjähriger davon... Von seiner Kolik-OP
diesen Winter hat er sich allerbestens erholt und man kann nur hoffen dass er
uns noch einige Jahre erhalten bleibt. Als ich mir später zu Hause in Ruhe die
Fotos ansah war ich verblüfft wie sehr er sich noch immer als ein modernes Pferd
präsentiert - allerbestes traditionelles Leistungsblut über Grande und Ferdinand
und man erwartet vielleicht einen etwas altmodisch herben Pferdetyp zu sehen -
das ist er mitnichten! Die reichlich vorhandenen Vollblutgene prägen einen noch
immer zeitlos modernen Typus bei leichter Oberlinie und einem Fundament bei dem
einfach alles stimmt. Und wieder einmal bin ich nach Hause gefahren in der
grossen Hoffnung hier den bewährten Vererber zum Aufbau meines eigenen,
blutgeprägten zukünftigen Stutenstammes gefunden zu haben...
3.3.2008 Brentano II feiert seinen 25. Geburtstag - herzlichen
Glückwunsch diesem verdienten Vererber!
10.6.2010
Brentano lebt nicht mehr:
Ein herber Verlust für das Landgestüt Celle:
Nach einer schweren Kolik musste Brentano II in der vergangenen Nacht
eingeschläfert werden. Mit diesem charmanten Dunkelfuchs, der in seinem Pedigree
die Vererbergrößen Bolero und Grande in direkter Kombination vereinte, verlieren
wir einen Stutenmacher allererster Couleur. Körsieger des Jahres 1985,
Reservesieger der Hengstleistungsprüfung 1986 mit überragendem Sieg im
Dressurindex und Hannoveraner Hengst des Jahres 2003 sind die Titel, die seine
Hengstkarriere schmücken.
Und die auch die nüchternen Zahlen sprechen eine klare Sprache: 1880 Nachkommen
sind in Hannover registriert, 23 gekörte Söhne und 514 Zuchtstuten sind
bundesweit eingetragen. Herausragende Töchter sind die St.Pr.St. Bona Dea, die
im Jahr 2000 Siegerin der Ratje-Niebuhr-Schau in Verden wurde. Eine Tochter des
Brentano II hat im brandenburgischen Neustadt (Dosse) eine eigene Dynastie
gegründet: Poesie v. Brentano II stellte mit ihrer Tochter Poetin die
Bundeschampionesse und Weltmeisterin der sechsjährigen Dressurpferde im Jahr
2003, die anschließend zum teuerste Auktionspferd aller Zeiten avancierte.
Bis zu höchsten sportlichen Ehren reiften die Vollgeschwister Barclay unter
Hubertus Schmidt und später Sven Rothenberger und Brentina unter Debbie McDonald
heran, die in bei den Olympischen Spielen im Jahr 2004 in Athen ihre
Heimatländer vertraten.
Rittigkeit, Leistungsbereitschaft, Charakterstärke und ein dem Menschen sehr
zugewandtes Wesen waren die besonderen Kennzeichen des Brentano II – die er auch
seinen Kindern weitergab.
(Quelle: Landgestüt Celle)
Fotos: 1) hannoveraner.com 2) und 3) eigene Fotos 4) Geers,
Verbandsmagazin "Der Hannoveraner"