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                                                                   Foal-Eventing


         
          

Foal-Eventing und die Natur des Pferdes:
Eine ungeplante Studie über das natürliche Bewegungsverhalten junger Fohlen, wie es dazu kam (der Zufall) und was wir daraus lernen (Teil II)



Wie das so ist im Leben:
die wesentlichen Dinge beschert uns stets der Zufall.

Und so war es der Zufall, der meinen Fohlen und mir im Frühjahr 2013 die wohl schönste Erfahrung im jungen Fohlenalltag beschert hat und mein ganz persönliches Züchterleben um eine gänzlich neue Facette bereichert hat, auf die ich auch künftig ganz sicher nicht mehr verzichten möchte.

Es sind stets die ersten Tage und Wochen im Leben eines jungen Fohlens, die die grösste Freude bereiten und in denen ich die meiste Zeit mit ihnen verbringe.
Seit Jahren nutze ich die grosse Heuwiese gegenüber vom Hof Altepost, um mit den Mutterstuten und ihren neugeborenen Fohlen die ersten Tage völlig uneingeschränkt und zaunbefreit zu verbringen. Es ist immer wieder die schönste Freude zu erleben, wie die Fohlen von Tag zu Tag, ja von Mal zu Mal selbstbewusster werden und grössere und weitere Kreise um Muttern ziehen und ihre Welt entdecken. 
In diesem Frühjahr war es Carly, die kleine Tochter meiner Vollblutstute Ionia, die als erstes Fohlen früh im März in geradezu winterliches Wetter geboren wurde. Es war klar, dass das junge Fohlen aufgrund der eisigen Temperaturen nie lange draussen bleiben konnte - aber raus sollte sie selbstverständlich, und zwar täglich. Also nahm ich mir eine Woche Urlaub und marschierte mit Mutter und Kind dreimal am Tag raus auf die frostige Wiese. Während ich selber allein des eisigen Windes wegen in eine dicke Skijacke verpackt war schien das Wetter an den Pferden geradezu spurlos vorbei zu gehen. Das Igelchen stand mit dem Hintern zum Wind und knabberte spärlich am frostigen Gras, die kleine Carly hatte ruckzuck ihr ganz eigenes Warmhalteprogramm entwickelt: 

                      

kaum dass die Beinchen es hergaben flog sie in immer grösser werdenden Kreisen um uns herum und es dauerte nicht lange, da nahmen ihre Flugbahnen ungeahnte Ausmasse an und erstreckten sich quer über die komplette Heuswiese und das angrenzende Feld. Ein kleiner Galopper auf dem Weg zum Derby, das war die pure Lebensfreude!
An die Heuwiese grenzt ein kleiner Wald, den ich in all den Jahren nie beachtet hatte. Carly jedoch fand zügig Gefallen an der näheren und weiteren Umgebung und wenn sie nicht gerade in weiten Zirkeln um uns herumflog erkundete sie in neugierigen Streifzügen die Umgebung. Ich musste es ihrer Mutter gleich getan haben und stand einen Moment mit dem Rücken zum kalten Wind. Das Igelchen wurde unruhig und als ich mich wieder umdrehte war das Fohlen verschwunden - kein Wunder dass Ionia aufgeregt wieherte und zügig mit mir in Richtung Wald zog! Und richtig:
Die kleine Carly bummelte ganz und gar unerschrocken durch den Wald und erkundete die Bäume. Ihre Mutter hatte sie dabei völlig vergessen. Es blieb mir also nichts anderes übrig als mit dem Igelchen am Strick hinter dem kleinen Weltenbummler her in den Wald zu marschieren. Es war das erste Mal, dass ich überhaupt mit einer Stute an der Hand in den Wald spazierte und man musste schon durch eine kleine Grabenfurche klettern, um überhaupt bis an die Bäume zu kommen, wo es dann durch tiefes Laub über Astwerk und manch eine Wurzel weiterging. Ich war beeindruckt wie lässig das Igelchen da so neben mir herspazierte.
Echtes Gelände eben.
Pferdenatur.
Als wir den kleinen Ausreisser erreicht hatten war Ionia beruhigt, Carly dockte an der Milchbar an und zog alsbald gestärkt erneut ihres Weges. Das Igelchen und ich immer hinterher, Sichtweite zu der unternehmungslustigen kleinen Tochter sollte schon sein zwischen den Bäumen, sonst ging sie uns womöglich nocheinmal verloren...  Und so erreichten wir das Ende des kleinen Waldes, kleine Böschungen führten von hier in die brachliegenden angrenzenden Felder. Und eh ich mich versah stand Carly auch schon in der Böschung und kletterte vorsichtig runter ins Feld - da musste ich nun mit dem Igelchen hinterher, keine Frage!
Und ich staunte nicht schlecht über dieses hervorragende Gelände, das auf überschaubarer Grösse in Hofnähe wirklich alles bot und geradezu einlud zu ergiebigen Wald- und Geländespaziergang mit Stute und Fohlen zum Klettern und Springen - herrlich!

Eine gute halbe Stunde waren wir wohl in Eiseskälte unterwegs gewesen und es war nur zu verständlich, dass die kleine Carly im zarten Alter von wenigen Tagen zurück im Stall sogleich ganz und gar erschöpft neben ihre Mutter ins Stroh plumpste und sofort tief und fest schlief. Ich setzte mich ins Stroh dazu und war völlig berauscht von diesem Erlebnis. Nicht nur erkundete das Fohlen so völlig selbstverständlich seine fremde Welt und Umgebung und lernte in jüngstem Alter bereits auf natürliche Weise Dinge kennen, die anderen Pferden mitunter völlig versagt bleiben, auch Muttern hatte eine abwechslungsreiche Bewegung und machte angeregt und stets kontrollierbar am Halfterstrick mit. Eine solche Bewegungsalternative für Fohlenstuten, die in den ersten Tagen oft wenig und bei solchem Wetter häufig gar nicht rauskommen, erschien mir einfach ideal. Und es war selbstverständlich, dass ich am Nachmittag erneut mit meinen beiden losziehen würde, diesmal gezielt gleich in den Wald und auf die angrenzenden Felder!  
Stutenfee Ingrid riet mir besonnen, statt des Halfterstrickes eine Longe mitzunehmen, sicher ist sicher. Recht hatte sie. Man weiss nie was kommt, und tatsächlich bot die Longe dann auch für das Igelchen eine ungeplante und geradezu ideale erste Bewegungsmöglichkeit nach der Zeit in hoher Trächtigkeit, in der die Stuten von sich aus selten mehr als nur Schritt gehen:
Während Carly auf der Heuwiese um uns herumtobte zog das Igelchen in langen Bahnen an der Longe um mich herum, zunächst im Schritt nur, dann fing sie ruhig an zu traben und zuckelte entspannt Runde um Runde zufrieden um mich herum. Die brave Stute verschaffte sich selbst die erste nötige Bewegung im Trabe nach dem Abfohlen, die ich ihr bei bestem Willem in dicken Winterstiefeln am Strick nicht hätte bieten können.   
     

                        
Halb Rennpferd, halb Springpferd: die kleine Carly perfektioniert ihr Sprungvermögen mit grossem Engagement und scheint das geborene Buschpferd zu sein - das soll sie auch!

Die grösste Überraschung am Nachmittag bescherte mir dann erneut Carly, als sie die selbe Böschung, die sie vormittags noch vorsichtig heruntergetapst war, nun schon versiert und sicher herabkletterte und am nächsten Tag bereits respektlos hinabsprang. Ich war ganz und gar begeistert erleben zu können wie das junge Fohlen sich von Mal zu Mal sichtbar weiter entwickelte und sichtbar lernte, mit sich und seiner Umgebug umzugehen und seinen jungen Körper im wahrsten Sinne des Wortes trainierte und dabei selber ganz offensichtlich die grösste Freude hatte - das war einfach unglaublich!
Im Wald verhielt es sich ähnlich. Mittlerweile hatte Carly ihre Spurts um die Bäume verlegt und sauste respektlos durch den Wald, in immer weiteren Kreisen um uns herum. Mitunter geriet sie dabei durchaus hinter den Bäumen ausser Sichtweite, aber inzwischen legte sie ihre Kreise bewusster um uns herum an und kehrte immer wieder zu uns zurück - und auch Ionia hatte das kreisrunde Flugkonzept ihrer Tochter offensichtlich begriffen und nahm es gelassen hin, wenn die kleine Tochter für einen Moment ausser Sichtweite geriet.

Das schönste natürliche Geländehindernis im Wald aber war eine Senke, ein natürliches Coffin beinahe, das vom ersten Augenblick an eine magische Anziehungskraft auf Carly ausübte. Ähnlich wie die Böschung am Waldrand erkundete sie die Senke zunächst vorsichtig von oben, tapste dann bald hinein, stöbert darin herum und kletterte wieder raus. Beim nächsten Ausflug sprang sie bereits von sich aus in die Senke, kaum dass Ionia und ich diese erreicht hatten. Ich kletterte mit dem Igelchen ebenfalls in die Senke und blieb dort mit ihr stehen, abwartend, was Carly wohl machen würde. Muttern ruhig in der Senke stehen zu sehen löste bei Carly spontan einen weiteren Flugreiz aus, sie jagte los, sprang aus der Senke, galoppierte um die Bäume und sprang in hohem Bogen wieder zurück zu uns - aufgeregtes andocken an die Milchbar und schon ging es wieder los, die Flugbahn war immer die selbe:

im gestreckten Galopp raus aus der Senke, um die Bäuem herum und ebenso flugs wieder zurück gesprungen - unfassbar! Ich hatte tasächlich Tränen in den Augen ob dieser Demonstration von schierer Lebensfreude, Bewegungsfreude und Unternehmungsgeist eines jungen Fohlens - Carly war noch keine Woche alt! 
Als kurz darauf Rapunzel geboren wurde war es für mich selbstverständlich, dass ich mit ihr vom ersten Tag an die selben Geländetouren unternehmen würde wie mit Carly. Ich war gespannt, wie Rapunzel auf die natürlichen Herausforderungen des Geländes reagieren würde und ob dieses Unternehmen mit Fannie und ihrem Fohlen mir ebenso gelingen würde wie mit Carly und dem Igelchen. Rapunzel war ein grosses Fohlen, "geburtsgross", und bei weitem in den ersten Tagen nicht so agil wie Carly, sie hatte alle Hände voll zu tun ihre langen Beine und den grossen Körper zu koordinieren und ich hielt es erst recht für angemessen, diesem grosssen Fohlen meiner Fannie durch unser Geländetraining quasi therapeutische Entwicklungshilfe zu bieten. Sie nahm es dankbar an! 
Die ersten beiden Tage gestalteten unsere Spaziergänge sich noch sehr vorsichtig zurückhaltend, doch auch Rapunzel lernte von mal zu Mal sichtbar dazu. Mehr noch als bei der ohnehin agilen Carly waren die physischen Fortschritte der anfangs eher unbeweglichen Rapunzel geradezu dramatisch anschaulich. Sehr viel zögerlicher und unbeweglicher als Carly setzte Rapunzel sich zunächst mit dem Gelände auseinander - man hatte immer den Eindruck, sie müsse erst nachdenken ob und wie sie ihre Beinchen nun setzen sollte. Um so beeindruckender war es, als sie dann bereits am fünften Tag mit der selben Respektlosigkeit wie Carly von sich aus die Böschungen rauf und runter sprang, druch den Wald sauste und exakt das selbe Verhaltensmuster an den Tag legte, wie Carly:

            

Rapunzel flog ebenso inspiriert um die Bäume herum und ich war hellauf begeistert, als sie auch das Coffin mit der selben Begeisterung annahm, wie Carly das tat:
Rapunzel sauste los, sprang aus der Senke, galoppierte um die Bäume und sprang in hohem Bogen wieder zurück zu uns - aufgeregtes Andocken an die Milchbar und schon ging es wieder los, die Flugbahn war immer die selbe. Ich war begeistert und ganz und gar gerührt zu sehen, wie schnell aus meinem unbeholfenen grossen Fohlen der ersten Tage der selbe Flieger wurde, wie Carly ihn gab... Rapunzel war ganz sicher von der Sorte Fohlen, die am meisten von unserem "Foal Eventing" profitierte. Geburtsgrosse Fohlen tun sich immer erst schwer in Beweglichkeit und Geist, ich hatte das selber seinerzeit bei Brasil erlebt, der in der Tat einige Wochen benötigte, um in Beweglichkeit und Reaktivität mit seinen Altersgenossen gleichzuziehen.

Und so kam es, dass der eiskalte März 2013 mir den schönsten Fohlenfrühling beschert hat, den ich bislang erlebt habe. In der zweiten Urlaubswoche, als Rapunzel geboren war, bin ich täglich morgens und nachmittags mit beiden Fohlenstuten bei Wind und Wetter in den Wald und auf die Felder gezogen. Eine gute halbe bis dreiviertel Stunde nur jedes Mal, doch für die Fohlen waren das ganz sicher die lebenswertesten Stunden des Tages.
Für mich auch.    
Wenn ich abends nach Hause kam war ich selber restlos erschöpft von diesen Wanderungen in dicken Stiefeln durch Wald und Feld - und ganz und gar erfüllt!

                                                   

                                                            In nur fünf Tagen wird aus der geburtsgrossen und unbeholfenen Rapunzel ein überaus agiler Waldgeist!

Als späte Sommerfohlen vervollständigten Daktari und Darnell dann im Juni das Fohlenquartett 2013. Und wenn diese beiden auch ob des warmen Wetters sofort ganztägig auf die Weide konnten, so war es mir doch eine Herzensangelegenheit auch mit diesen beiden vom ersten Tag an Geländespaziergänge zu unternehmen.
Das Muster war das selbe wie bei Carly und Rapunzel::
zögerliches, aber doch neugieriges Herantasten an das Klettergelände und bereits beim zweiten oder dritten Mal sausten die beiden auch von sich aus davon und entwickelten natürliches Klettern und Sprungvermögen mit grösster Energie und Begeisterung.
Fabricechen's Tochter Darnell entwickelte darüberhinaus ihre ganz eigene Art, ihren Bewegungsdrang auszutoben: sie liess es uns hören!
Selbst im Alter von drei Monaten übt der Waldspaziergang noch immer seine ungeahnten Reize aus und ganz besonders die natürliche kleine Senke im Wald, unser "Coffin", bleibt von grösster Inspiration. Darnell hat ihre ganz eigene Art, dieses "Coffin" zu zelebrieren:
sie quietscht!
Wann immer Darnell sich auf ihren Spurts plötzlich bewusst wurde, dass sie sich aus Mutters Sichtfeld entfernt hatte, liess sie zeitgleich zu ihren beeindruckenden Vollbremsungen, Kehrtwenden und halben Pirouetten ein vernehmliches Quiteschen hören - Darnell's Darbietungen waren in der Tat bühnenreif!
   

                             
                                                                                                Mit vernehmlichem quietschen schlägt Darnell Haken im Wald

Was wir daraus lernen:

Wenn auch der ungestüme Bewegungsdrang der Fohlen mit der Zeit deutlich nachlässt, so spielt junges und jüngstes Alter im Heranführen an das Gelände in der Tat keine Rolle. Im Gegenteil: 
Für die Fohlen sind Herausforderungen im Gelände die natürlichste Sache der Welt. Auf Reisen durch die USA, ganz besonders aber in der kargen Steppe Australiens, konnte ich Wildpferde beobachten. Und werden sie in freier Wildbahn geboren, ganz egal ob in der australischen Steppe oder den nordamerikanischen Ausläufern der Rocky Mountains, ist es überlebenswichtig vom Fleck weg vor Gefahren zu fliehen. Und mitnichten ist das natürlich Umfeld wild lebender Pferde vergleichbar mit unseren ebenerdigen heimischen Pferdekoppeln. Klettern und springen in unwegsamem Gelände ist artgerechtes und überlebensnotwendiges Verhalten der Spezies Pferd, und zwar vom ersten Tag an. Wohlbehütetes Fohlendasein auf ebenen Weiden oder auf winterlichen Paddocks oder Hallenböden ist Bestandteil unserer konventionellen Pferdeaufzucht und wir sind es so gewohnt. Fohlennatur jedoch ist anders, wie mein Fohlenquartett in diesem Jahr auf's Anschaulichste bewiesen hat. Und man staunt, was man dabei alles lernt!

Tatsächlich sind es die jüngsten Tage und ersten Wochen, in denen die Fohlen die grösste Bewegungsfreude entfalten. Im Alter von zwei bis drei Wochen erreichen die "Flugstunden" ihren Höhepunkt, und das macht bei genauerem Hinterfragen auch sehr viel Sinn:
es sind stets die ersten Tage im Leben eines jeden Tieres, in denen es aufgrund seiner Hilflosigkeit am angreifbarsten für seine natürlichen Feinde ist. Ergo fordert Mutter Natur in den ersten Tagen die Bewegungsfähigkeit und das Ausprägen derselben am meisten. Sehnen und Gelenke sind von Natur aus darauf angelegt sofort für den Fluchtfall zu funktionieren und wollen und müssen zeitnah entsprechend geübt und trainiert werden. Der ausgeprägte Bewegungsdrang jüngster Fohlen ist also dem Instinkt des Fluchttieres Pferd geschuldet. Wer die ersten Wochen lediglich in engen Bahnen um Muttern herumtrabt hat in der freien Natur bereits verloren.

Eine weitere Beobachtung ist das deutliche nachlassen des ausgeprägten Bewegungsdrangs sobald die Fohlen durchgezahnt haben und zusätzlich zur Muttermilch Rauhfutterangebot annehmen. So ist auch zu erklären, dass Carly und Rapunzel mangels frischem Weidegras und trockenen Gestrüpps im frühen März und April des Jahres sehr viel aktiver über längere Zeit unterwegs waren als Daktari und Darnell es im späteren Frühjahr und Sommer waren. Sobald die beiden spätgeborenen Fohlen durchgezahnt hatten und Gras kauen konnten wurde das frische Grün zu einer wesentlichen Ablenkung vom reinen Spass am Toben. Auch das macht Sinn.
Die freie Natur sieht vor, als erstes das überlebenswichtige Fluchtvermögen, den Bewegungsdrang also, zu trainieren. Ist die Fluchtfähigkeit "installiert" und geübt, fordert die Natur eigenständige Nahrungsaufnahme neben der Muttermilch um Jungtieren zügigen Wuchs und Entwicklung überhaupt zu ermöglichen.
Ein weiterer Grund also, auch spät geborenen Fohlen gerade in den ersten Tagen und Wochen so viel Bewegungsangebot wie möglich zu verschaffen. Sind sie erstmal eigenständig kau- und fressfähig lässt der primäre Bewegungsdrang sichtbar nach und wird zweitrangig nachdem sie sich einmal ausgetobt haben.

                             

                                                                                                                Hopkins (von Hotline) im Alter von drei Wochen

Einen weiteren willkommenen und völlig unerwarteten Nebeneffekt bot unser Foal-Eventing offensichtlich auch für die Mutterstuten. Es liegt in der Natur der Sache, dass hochtragende Stuten sich in den letzten Wochen vor dem Abfohlen nur wenig und fast ausschliesslich im Schritt bewegen. Nach dem gesunden Abfohlen ist Mutterns Bewegungsdrang dann verständlicherweise zunächst überproportional ausgeprägt und auch das hat seinen Sinn:
Stuten, die im Frühling und Sommer gebären und sofort auf die Weide können bocken und toben erstmal, die Gebärmutter wird dadurch einem natürlichen Reinigungsvorgang unterzogen, die Stuten pressen beim toben rückständige Flüssigkeit aus. Tatsächlich konnte ich das bei der ein oder anderen Stute an der Hand beim Klettern ebenso beobachten.      
Ganz ungefährlich ist der erste Weidegang nach dem Abfohlen ohnehin nicht, insbesondere wenn die Stuten nach dem Abfohlen nicht sofort auf die Weide entlassen werden sondern erst noch einige Zeit im Stall verbleiben. Der natürliche Bewegungsdrang staut sich unnötig auf, der erste gemeinsame freie Weidegang von Stute und Fohlen wird dann zu einem unnötigen Risiko. Die jungen Fohlen kennen keinen Zaun, der heute meist aus Litzen besteht, die für ein Fohlenauge in aufgebrachtem Galopp neben Muttern ohnehin nicht als ernstzunehmende Begrenzung wahrnehmbar sind. Zwar nehmen Stuten beim bocken in der Regel Rücksicht auf das junge Fohlen an ihrer Seite, für manch ein Fohlen gerät der erste Kontakt mit dem Zaun jedoch durchaus zu einem Risiko. Wir führen daher beim ersten Weidegang die Stuten stets solange am Zaun aussen herum bis die Fohlen von sich und aus der kontrollierbaren Ruhe heraus den ersten bewussten Kontakt mit der Litze machen und diese als natürliche Begrenzung begreifen.
In diesem Jahr war das überflüssig. Durch die regelmässigen kleinen Klettertouren im Wald waren offensichtlich auch die Stuten wesentlich entspannter und bei keiner hatte sich ein überschäumender Bewegungsdrang aufgestaut, wie wir ihn bei der ein oder anderen aus der Vergangenheit kannten. Auch rannte keines der Fohlen unüberlegt gegen den Zaun, im Gegenteil:
die Fohlen haben durch die ersten Tage intensiven Auseinandersetzens mit allem, was die Natur ihnen gerade im Wald bietet, eine ganz andere Übersicht gelernt. Es sind keine "dummen" Stallfohlen mehr, die man auf die Wiese entlässt sondern solche, die gelernt haben sich bewusst mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Und zwar durch vorsichtiges herantasten an alles, was ihnen in den Weg kommt. Überschüssigen Bewegungsdrang musste ohnehin keines mehr beim ersten Weidegang blind austoben - den hatten sie in den ersten zaunbefreiten Tagen in Feld, Wald und Wiese bereits nachhaltig bedient.     


                    

                                                             Daktari hüpft aus dem Wald


Um die Fohlen bei unseren Aktivitäten fotografisch in Szene zu setzen bedarf es natürlich der Hilfe von Freunden und reichlich davon .. Es muss immer ein guter Geist zur Hand sein, der die Mutterstute führt. Und so bin ich all meinen Pferde- und Züchterfreunden sehr dankbar, die mir in diesem Jahr die Gelegenheit gegeben haben, meine Fohlen bei unseren etwas ungewöhnlichen Aktivitäten mitunter fotografieren zu können.
Neben den zupackenden Helfern, die für die diversen Fotosessions zur Verfügung standen, gab es auch reichlich interessierte Besucher, die von der Idee unserer Geländespaziergänge begeistert waren und das einfach einmal selber erleben wollten. Darunter waren grosse und kleine Pferdeleute, Profis und ganz besonders auch vielseitigkeitsaffine Sportler und alle waren sie begeistert und beeindruckt.

Eine ganz besondere Begebenheit war der Besuch von Carmen Thiemann, die aktuell für ihre Verdienste rund ums Pferd als Stallmanagerin bei Ingrid Klimke von der FEI ausgezeichnet wurde. Carmen war schon desöfteren bei uns zu Besuch und ganz und gar begeistert als sie von unserem Foal-Eventing hörte. Dick eingepackt machten wir beide uns im März auf den Weg um Rapunzel und Carly zu bespassen. Und natürlich hatte Carly es ihr ganz besonders angetan, ist Carmen doch berufsbedingt der grösste Fan von blutgeprägten Pferden im Busch.
Carly schien sich der Ehre des Besuches bewusst und lief zu Höchstform auf. Wir standen mit dem Igelchen am Halfter im Wald an der Senke als es bei Carly vernehmbar klickte und sie losstürmte zu ihren Flugrunden durch den Wald, immer um uns herum und unermüdlich bei jeder Runde das Coffin von sich aus mit einbezog und in weiten Sprüngen rein und wieder raussprang und gar kein Ende zu finden schien. Als habe jemand einen Groschen eingeworfen... Es schien als wolle sie Carmen ganz besonders demonstrieren, wie sehr ein Pferd von Natur aus eben doch auf vielseitigen Sport ausgerichtet ist, und ein engagiertes kleines Fohlen, halb Rennpferd, halb Springpferd, ganz besonders. Carmen und ich standen nur still mit dem Igelchen dabei und staunten und waren uns dieser Situation von Einzigartigkeit durch und durch bewusst. Carmen hatte Tränen vor Rührung in den Augen und es ging mir selber ganz ähnlich. Es ist nur schwer in Worte zu fassen was Carly da mit uns anrichtete und es hatte viel damit zu tun, dass hier zwei Herzen für Pferdeliebe und Vielseitigkeit in unser beider Brust schlugen. Ganz still und beeindruckt standen wir beide da im Wald und liessen uns von Carly's grossem Spiel bezaubern.     


Aus der Sicht des Pferdezüchters ist das "Foal-Eventing" die schönste Entdeckung des Jahres 2013. Aus Sicht meiner Fohlen war es das ganz sicher auch. Diese Art von Fohlenbespassung hat meinem Züchterdasein und allen vier Fohlen dieses Jahres eine ungeahnte faszinierende und immer wieder begeisternde Facette beschert und ich werde es mir ganz sicher nicht nehmen lassen, auch mit allen künftigen Fohlen diese Waldspaziergänge auf unserer ganz eigenen kleinen Geländestrecke zu unternehmen. Lebenswert, begeisternd und immer wieder einfach schön!
... und ich denke ernsthaft darüber nach, mir diesen Begriff patentieren und ein Copyright darauf einräumen zu lassen...

Sabine Brandt,
Münster im November 2013
 

Reichlich weitere sehenswerte Bilder vom "Foal Eventing" gibt es auf den Seiten von Carly, Rapunzel, Daktari und Darnell zu sehen.

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