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                                                                Meinung

 

  Diese Seite greift aktuelle Themen und Begebenheiten aus der Pferdezucht auf und reflektiert meine ganz persönliche Meinung als engagierter Sportpferdezüchter, der allen Sparten des Pferdesports seit vielen Jahren eng verbunden ist.
Immer wieder gibt es Themen, die eine kritische Diskussion wert sind und diese zumindest im Netz meist auch finden. Dem schnelllebigen medialen Zeitgeist geschuldet gerät Vieles dann aber früher oder später in Vergessenheit, meist zum Nachteil des Zuchtfortschritts, der sich häufig den Interessen einiger weniger einflussreicher Protagonisten beugen muss.
Zeit für eine kritische Themensammlung an dieser Stelle, die hoffentlich zügig wächst und einen Beitrag zur konstruktiven Meinungsbildung leisten kann.       
 
  Inhalt
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Von der Notwendigkeit der Veröffentlichung der individuellen Deckzahlen - März 2015
WM Verden - Kampfsport Dressur! und die Sprachlosigkeit der deutschen Offiziellen - August 2015
Turniersportorganisation einmal anders - ein Drama in mehreren Akten - 9.9.2016
Das Debakel der Westfälischen Hengstchampionate - Juli 2017
FN Populismus Fremdreitertest - Februar 2018
Kooperation von Andreas Helgstrand und Paul Schockemöhle - Pferdezucht im Umbruch - Oktober 2018
Landgestüt Warendorf: Das Gegenteil von gut gemeint ist gut gemacht - Oktober 2018
Hengstleistungsprüfung in Tschechien - Leserbrief von Johann Hinnemann im Züchterforum 12/2018
Hengstmarkt und Reitpferdeselektion - Wenn die Körung das eigentliche Zuchtziel nicht mehr bedient, mit welchen Hengsten züchten wir künftig die Pferde, die später exakt diesem Zuchtziel entsprechen sollen? 13.4.2019
Ermelo - Kapitalschlacht auf vier Beinen - Mein Leserbrief im aktuellen Züchterforum 09/2019 zur Weltmeisterschaft der jungen Dressurpferde in Ermelo
"Nicht überzeugend" - Zuchtleiter Uli Hahne übt Selbstkritik im aktuellen Hannoveraner 10/2019
Westfälische Hauptkörung und das Körsystem der Zukunft - 7.12.2020
Wider den Zuchtfortschritt? - 30.12.2020
 
März 2015

Von der Notwendigkeit der Veröffentlichung der individuellen Deckzahlen

Das Thema ist ein Dauerbrenner und erhitzt die Gemüter seit Jahren - meines ganz besonders.
Als Mitglied zweier grosser deutscher Zuchtverbände habe ich die Notwendigkeit der Veröffentlichung der Deckzahlen bereits im Frühjahr 2015 persönlich mit Vertretern des Vorstandes beider Zuchtverbände diskutiert.
In beiden Fällen signalisierten meine Ansprechpartner grosses Interesse an dem Anliegen.
In beiden Fällen wurde ich gebeten, ein offizielles Anschreiben zwecks Vorlage beim Verbandsvorstand zur Diskussion und Abstimmung in den jeweiligen Gremien beider Verbände zu formulieren.
In beiden Fällen signalisierten meine Ansprechpartner bereits im Vorfeld wenig Hoffnung auf Umsetzung des Vorhabens und gaben als Begründung die Lobby einiger Hengsthalter und traditionelle Denkmuster langjähriger Entscheidungsträger innerhalb der Gremien an.
In beiden Fällen sollten meine Ansprechpartner recht behalten und bis heute hat sich an der überholten Politik unsere deutschen Zuchtverbände nichts geändert. Zum Nachteil des Zuchtfortschritts und der Selektion in der Sportpferdezucht.

Es hat seinen Grund, dass sehr viel kleinere ausländische Verbände die deutsche Sportpferdezucht bereits vor Jahren von der Spitze der Weltranglisten verdrängt haben. Nicht nachvollziehbare Argumente, die sich allesamt durch meine aufgeführte Begründung widerlegen lassen, verhindern Transparenz und unterstützen fehlgeleitete Anpaarungsentscheidungen in der Breite, die die deutsche Sportpferdezucht mittlerweile allein auf einen lukrativen Fohlenmarkt reduzieren.   

Nicht unerwähnt bleiben soll das Westfälische Pferdestambuch als einzige rühmliche Ausnahme, das die indviduellen Deckzahlen alljährlich veröffentlicht und diesen Brauch hoffentlich auch weiterhin im Sinne der Transparenz pflegen wird.    
      
Anbei mein Schreiben an die Zuchtverbände, das gern kopiert, verbreitet und diskutiert werden kann. Möglicherweise findet sich unter den Lesern jemand, der die Hebel an geeigneter Stelle wirksamer anzusetzen in der Lage ist, als es mir beschieden war. Steter Tropfen hölt den Stein, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Begründung:

Die Kenntnis von individuellen Bedeckungszahlen ist Voraussetzung zur Einschätzung der Vererbungsqualität eines jeden Zuchthengstes. Unsere Nachbarn in den Niederlanden und Skandinavien veröffentlichen regelmässig individuelle Bedeckungszahlen, das KWPN veröffentlicht darüberhinaus auch Auswertungen über die Erfolge (Zuchtschauen, Leistungsprüfungen) der gereiften Nachkommen eines Hengstes in Relationen zu seinen Bedeckungen. Diese Transparenz ist beispielhaft und verhilft zu sachdienlichen Rückschlüssen auf die individuelle Vererbungsqualität eines Hengstes im frühestmöglichen Stadium. Im Sinne des Zuchtfortschritts kann die Nachkommenleistung eines Hengstes nur in Relation zu den Deckzahlen sachlich angemessen eingeschätzt werden.

„Vieldecker“

Bei den sog. Vieldeckern handelt es sich i.d.R um Junghengste, über deren Vererbungsqualität als Reit- und Sportpferdeproduzenten noch kein valider Aufschluss vorliegt. Eine Verdichtung von Bedeckungen auf einige wenige populäre Junghengste kann nicht im Sinne der Zucht und des Zuchtfortschrittes sein. Dem mündigen Züchter muss die Möglichkeit gegeben sein, seine eigenen Schlüsse aus Relationen von Bedeckungen und der Qualität der ersten Nachkommen im frühestmöglichen Stadium (freilaufend, an der Hand oder unter dem Sattel) zu ziehen.

Die Anzahl der bundesweiten Bedeckungen hat sich in den letzten sieben Jahren seit 2008 halbiert. Der zur Verfügung stehende Genpol der deutschen Pferdezucht hat sich damit dramatisch verkleinert. Klasse jedoch entsteht immer erst aus Masse. Eine Polarisierung von 300, 500 oder mehr Bedeckungen auf einige wenige Hengste, insbesondere wenn es sich dabei um genetisch nicht erwiesene Junghengste handelt, ist heute gefährlicher als noch vor sieben Jahren. Einige wenige unerwiesene Vieldecker, die 2000 Stuten und mehr bedienen, schaden einer Population von 20.000 Stuten u.U. erheblich mehr als einer Population von 40.000 Stuten.
Darüberhinaus verbleiben für erwiesene Vererber oder solche, die aufgrund geringer Nutzung keine Chance haben, sich als solche zu beweisen, heute nur noch 18.000 und nicht 38.000 Stuten zur Verfügung. Diese Grundlage bietet kaum noch genügend kritische Masse, derer es bedarf, eine vielfältige Sportpferdepopulation hinreichend nach alleinigem Maßstab von erwiesenem Leistungspotential zu pflegen.

Die Nutzung begehrter Junghengste bleibt jedem Züchter auch bei Veröffentlichung der Bedeckungszahlen unbenommen. Ein wirtschaftlicher Schaden entsteht dadurch nicht.
Alleiniger Profiteur der Veröffentlichung individueller Bedeckungszahlen ist der potentielle Zuchtfortschritt zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Das sollte in unser aller Interesse sein.


Beispiel I:

Hengst A stellt zehn Nachkommen aus dem ersten Jahrgang auf Körung, Eliteschau und/oder Auktion.
Hengst B stellt z w e i Nachkommen aus dem ersten Jahrgang auf Körung, Eliteschau und/oder Auktion.

Welches ist der besser vererbende Hengst?

Wir wissen es nicht.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass Hengst A in der kommenden Decksaison stärker von den Züchtern genutzt wird als Hengst B:
Zurecht im Sinne des Zuchtfortschritts?


Beispiel II:

Hengst A stellt zehn Nachkommen aus dem ersten Jahrgang auf Körung, Eliteschau und Auktion. Der Hengst hatte im ersten Jahr 300 Bedeckungen.
Hengst B stellt z w e i Nachkommen aus dem ersten Jahrgang auf Körung, Eliteschau und Auktion. Der Hengst hatte im ersten Jahr 20 Bedeckungen.

Welches ist der besser vererbende Hengst?

Erst jetzt ist eine Einschätzung der Vererbung beider Hengste relativ zueinander möglich.
Die Zahlen ergeben für Hengst B eine 10-prozentige Erfolgsquote gemessen an Bedeckungen, für Hengst A eine 3,3-prozentige. Hengst B vererbt sich dreifach besser als Hengst A.

Fazit:

Bedeckungszahlen sind eine grundlegende Information und wertvolle Orientierungshilfe zur Einschätzung individueller Vererbungsleistung.
Die Daten liegen dem Verband vor, die Bereitsstellung kostet nichts und trägt erheblich zur Transparenz in der deutschen Pferdezucht bei.

Potentielle Argumente dagegen:

Hengsthalter sollten diese Transparenz ebenso begrüssen. Das Argument, potentielle Vieldecker könnten durch eine solche Veröffentlichung Schaden nehmen und so die Wirtschaftlichkeit des individuellen Hengsthalters beeinträchtigen, ist nicht schlüssig.

  1. Stuten, die einem Vieldecker nicht zugeführt werden, gehen der Zucht nicht verloren. Sie verteilen sich lediglich anders, und zwar idealerweise auf Hengste des Typ B, die so im Sinne der Blutlinienvielfalt die wünschenswerte Chance bekommen, sich durch ein Mehr an zugeführten Stuten reell zu beweisen.

  2. Hengste des Typ B mögen dem selben oder anderen Hengsthaltern gehören, die Decktaxen kommen also dem selben oder anderen Hengsthalter zugute – aber sie fliessen weiterhin und gehen dem Kreislauf nicht verloren. Die Menge der individuellen Hengsthalter, die von einer solchen Veröffentlichung profitieren, sollte ungleich grösser sein, da die Menge der Hengste, die nur 20-30 oder weniger Stuten decken, ungleich grösser ist.
    Hengsthalter sollten diese Veröffentlichung also als Chance und nicht als wirtschaftliches Risiko begreifen.

Das umgekehrte Argument, ein Hengst, der nur wenig genutzt wird, könne durch eine Offenlegung der geringen Bedeckungszahlen noch mehr an Attraktivität verlieren, ist ebenso nicht schlüssig.
Ein gering frequentierter Hengst profitiert durch einige wenige begehrliche Nachkommen ungleich mehr und es liegt allein in der Hand des Hengsthalters, diese Relation vorteilhaft publik zu machen und entsprechend zu verkaufen.


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9.8.2015 WM Verden - Kampfsport Dressur! und die Sprachlosigkeit der deutschen Offiziellen

Kampfsport Dressur!, das war der spontane Ausruf einer aufgebrachten Zuschauerin im Zelt angesichts der Notenvergabe und Kommentierung für das zweifelsohne beste Pferd dieser WM.
Ich fand, sie brachte das treffend auf den Punkt.

Nachdenklich stimmt die buchstäbliche Sprachlosigkeit der (deutschen) Offiziellen vor Ort und die Frage, ob man sich gerade auch im hinblick auf das kommende Bundeschampionat in Warendorf (eine reine FN Veranstaltung) der Verantwortung bewusst ist?

Sprachlosigkeit vor Ort lässt sich bedingt entschuldigen, da eine WM eine FEI und keine FN Veranstaltung ist. Dennoch.
Die wenig rühmlichen WM 2014 in Frankreich ("WorstEverEquestrianGames") sind vergessen und mit ihnen die ebenso wenig rühmlichen nicht-Handlungen der nationalen Vereinigungen.

Nun mag Distanzreiten ein Nebenkriegsschauplatz sein (im wahrsten Sinne des Wortes) und der Weg des geringsten Widerstandes (vergessen) bietet sich an. Es gibt keine bedeutenden föderalen Fördertöpfe, die es sich hierfür anzuzapfen lohnt und auch mit mächtigen Protagonisten ölreicher Wüstenstaaten legt man sich hierzulande nur ungern an (der Vergleich mit der FIFA drängt sich geradezu auf - Zufall?).
Dennoch kämpft gerade die Dressurreiterei immer wieder um ihren etat- und imageträchtigen Status als olympische Disziplin und das offensichtlich sehr zurecht so, wenn man die Finals der fünfjährigen Dressurpferde in Verden diese Woche reflektiert.

Verständnis kann man dafür haben, wenn die hier zitierten Kritiker anonym bleiben wollen. Doch erneut bedarf es erst eines angelsächsischen Schreibers, um die Dinge angemessen auf den Punkt zu bringen, und auch das stimmt nachdenklich.

Im angelsächsischen Horse Magazine bringt Chris Hector die Dinge sehr deutlich mit drastischen Formulierungen auf den Punkt. Auf eine offizielle Stellungnahme von deutscher Seite wartet man bis heute vergeblich.
http://www.horsemagazine.com/thm/201...ive-year-olds/ - lesenswert!


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9.9.2016 Turniersportorganisation einmal anders - ein Drama in mehreren Akten

Eine Pferdeleistungsschau (umgangsdeutsch auch Turnier genannt) im rheinisch-westfälischen Hochzucht und -sportgebiet Anfang August.
Ein engagierter Züchter, der regelmässig im FN Jahrbuch die Erfolgsdaten nachschlägt.

Sechs Wochen später.
Noch immer sind die Erfolgsdaten dieser Pferdeleistungsschau nicht erfasst.
Zu dem Engagement unsers Züchters gesellt sich nun ein massvoller Ärger ob dieser Schlamperei und er beschliesst, der Sache auf den Grund zu gehen.
Ein Anruf bei der FN in Warendorf soll Aufschluss geben.

Die Herrschaften in Warendorf haben ein offenes Ohr und stellen sogleich die relevante Frage:
"Um welches Turnier handelt es sich und wer hat dort die Meldestelle betreut?"
Die Antwort findet Warendorf selbst heraus - die Reaktion ist verblüffend.
"Oh! Das ist die Turnierorganisation von Herrn ... .
Nun ja, von dem kennen wir das, der ist immer so langsam."

Hört, hört.

Der engagierte Züchter wird mit der Erfolgsdatenabteilung verbunden (was es alles gibt... ) und trägt sein Anliegen erneut vor.
Die Antwort sollte ihn nun nicht mehr überraschen, die Spontanität, mit der allerdings auch diese Antwort nun erfolgt, spricht dennoch Bände:
"Ach, das ist doch die Turnierorganisation von Herrn ... . Der ist immer so langsam, das kennen wir schon."

Hört, hört.

Die Antwort auf die Frage, wie man die Dinge denn nun beschleunigen und vor allem erledigen könne, darf man sich dann mal auf der Zunge zergehen lassen:
"Wir haben Herrn ... bereits zwei Mal angemahnt, uns die Unterlagen zwecks Einspielung in unsere Datenbank zukommen zu lassen, aber er reagiert nicht."
Donnerwetter!

Ein einzelner stoischer Turniersportorganisator stellt die FN vor echte zermürbende Herausforderungen?

Nun ist unser engagierter Züchter bereits selbst ein wenig in die Jahre gekommen, dennoch hat er in grauer Vorzeit rege und aktiv am Turnierzirkus teilgenommen und plötzlich drängen Erinnerungen aus grauer Aktivenzeit an die Oberfläche des Bewusstseins.
Schon damals hat es Herrn ... bereits als omnipräsente Fachkraft in den Meldestellen gegeben.
Damals gab es noch keine Bits und Bytes, man führte die Meldestelle noch von Hand und auf reichlich Papierbergen. Papierberge, die zu beherrschen Herr ... stets penibel die Fingerkuppe anleckte um dann mit der nervenaufreibenden Präzision einer Landschildkröte Seite für Seite durchzublätterten um irgendwann zu dem sinnigen Schluss zu kommen, dass es sich um den falschen Papierstapel handelte.
Man ahnt es schon:
Die Meldestellen auf den Turnieren, die Herr ... betreute, zeichneten sich schon damals aus durch lange Schlangen und noch längeres Warten. Herr ... scheint seinem Habitus treu geblieben zu sein und auch in Zeiten von Bits und Bytes hartnäckig jeder Effizienz zu strotzen.
Da kann man nur staunen, wie gelebte Ineffzienz selbst die Jahrhundertwende überdauert hat. Und kein Turniersportveranstalter ist bis heute auf die Idee gekommen, Herrn ... schlicht durch effizient arbeitende und zeitnah datenliefernde Konkurrenten zu ersetzen?

Zurück zu der freundlichen Stimme aus Warendorf.
Da wäre man machtlos, sagt die Stimme. Gern könne man Herrn ... eine weiteres drittes Mal anmahnen, man habe aber auch nichts gegen Hilfe von anderer Seite einzuwenden und gern könne unser engagierter Züchter selber bei Herrn ... anrufen und den Stand der Dinge ein wenig beschleunigen.

Unser engagierter Züchter ist gerade hinreichend passig auf Krawall gebürstet und notiert brav die beiden Telefonnummern des Herrn ...., die Warendorf als Kontakt hinterlegt hat.

Das Ergebnis ist verblüffend. Unter der ersten Nummer meldet sich allein die freundliche Stimme der Telekom und teilt mit, dass es diesen Anschluss schon lange nicht mehr gäbe... Das wundert nicht.
Dieser Anschluss war sicher noch mit einer Wählscheibe ausgestattet, und die hat die Zeiten von Bits und Bytes bekanntlich nicht überdauert.
Bei der zweiten Nummer scheint es sich um den privaten Anschluss des Herrn ... zu handeln, auch hier ist niemand erreichbar. Immerhin tut der Anrufbeantworter seinen Dienst und es tönt eine lapidare Frauenstimme:
"Tja, wir sind nicht zu Hause..."
Wow.
Professionell ist anders.

Mittlerweile ist der Ehrgeiz unseres engagierten Züchters geweckt und er durchsucht akribisch die Webseite des Herrn ... nach den offiziellen Kontaktdaten.
Er sucht und sucht.
Man glaubt es kaum:
Telefonische Kontaktdaten sind auf der offiziellen Seite nicht hinterlegt.
Donnerwetter.
Allerdings findet sich im Impressum ein Verweis auf eine zweite Person, die ihrerseits auf der Seite von Herrn ... für Turniersportorganisation wirbt. Man darf also davon ausgehen, dass es sich hierbei um ein assoziiertes Unternehmen oder gar einen Mitarbeiter von Herrn ... handelt?
Auf dem Werbebanner dieser assoziierten Person findet sich auch tatsächlich eine Telefonnummer. Klein, und man muss sie suchen. Dioptrin 12,5 und mehr erleichtern das Entziffern sehr. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass auch dieser zweite mit Herrn ... assoziierte Turniersportorganisator eigentlich gar nicht erreichbar sein möchte.

Immerhin:
es handelt sich um eine Handynummer und das gibt grossen Grund zur Hoffnung.
Gleichwohl:
auch diese Nummer ist nicht erreichbar.
Da drängen sich nun gleich mehrere Fragen gleichzeitig auf.

1. Turniersportorganisation trägt den Begriff "Organisation" nicht ohne Grund im Namen. Dieser Turniersportorganisator jedoch definiert den Begriff "Organisation" völlig neu. Daran muss unser engagierter Züchter sich erst gewöhnen. Die Damen in Warendorf haben diesen Gewöhnungsprozess offenbar schon hinter sich.

2. Wenn jemand gewerblich eine Dienstleistung anbietet sollte man doch meinen, dass er im eigenen Interesse wochentags zu normalen Büro- und Arbeitszeiten erreichbar sein will und muss?
Vielleicht müssen wir "eigenes Interesse" in diesem Falle aber einfach anders definieren?

3. Liebe Turniersportveranstalter:
wie um alles in der Welt könnt ihr mit einer solchen DisOrganisation heutzutage überhaupt noch zusammen arbeiten?
Der Mann ist schlicht unerreichbar und strotzt mehrfach berechtigten Aufforderungen, seiner bezahlten Dienstleistung nachzukommen.

Zugegeben, diese Sache ist nicht lebenswichtig.
Dennoch zahlen wir alle mit erheblichen Turniersportbeiträgen direkt und indirekt für eine Dienstleistung, der dieser Herr nur sehr bedingt und offensichtlich unwillig nachkommt.
Aus eigener ehrenamtlicher Tätigkeit als Ansager auf ausgewählten Turnieren weiss ich, dass es gerade heute auch anders geht.
"Meldestelle" funktioniert auf den Punkt, die Teams sind engagiert und selbst unter Stress noch freundlich dabei! Und die Daten sind spätestens in der zweiten Woche nach der Veranstaltung bei der FN verfügbar und geprüft.

Eine Arbeitsweise jedoch, wie Herr ... sie heute selbst im Umgang mit der FN noch pflegt, sollte mit dem Aussterben der Wählscheibe doch ebenso schon lange von uns gegangen sein?

Alles hat seine Zeit.
In Zeiten von Bits und Bytes jedoch ist ein solches Verhalten nicht zu entschuldigen.

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31.7.2017 Das Debakel der Westfälischen Hengstchampionate

Mageres Erscheinen bei den 3- und 4-jähirgen Hengstchampionaten diese Woche in Handorf und nur 2 Starter bei den 3-jährigen Hnegsten - ein trauriger Witz und eine Tendenz, die sich seit Jahren bei den Reitpferdechampionaten in Handorf abzeichnet.

Allgemeingültiges Denken:
Es liegt an den Hengsthaltern (gerade bei den Vieldeckern), denn die haben mehr zu verlieren als zu gewinnen und stellen ihre Hengste gar nicht erst öffentlich dem sportlichen Wettbewerb.
Das mag so sein, aber in Oldenburg und Hannover geht es trotzdem (Rastede jeweils 2-stellige Starterfelder, Verden kommende Woche verzeichnet ebenso Nennungen im hohen 20-er Bereich)
Was macht Westfalen falsch?

Die Antwort liegt auf der Hand und liegt in den Körquoten begründet.
Westfalen kört seit Jahren als einziger Verband grosszügig Fremdhengste aller Verbände und das zu einem grossen Anteil. Das ist gut für die Körung und lässt die Kasse bei den Hengstauktionen sprudeln, hat aber dramatische Auswirkungen auf die Reitpferdechampionate.
Die Fremdkörquote bei den Springpferden wird ähnlich hoch sein. Seit Cornet Obolnesky und ganz besonders, seit Cornet über seine Töchter zu weiter Verbreitung in der westfälischen Stutenbasis gefunden hat, hat Westfalen in den letzten Jahren überproportional zu anderen Verbänden (insbesondere Hannover) profitiert. Die westfälischen Springpferdechampionate sind absolut sehenswert und reflektieren die hohe Qualität durchaus. Dabei reflektieren die vier- bis sechsjährigen Springpferde dieser Woche in Handorf noch nichteinmal in vollem Umfang die sensationelle Entwicklung des Körplatzes Westfalen der letzten zwei Jahre, seit die Fachwelt Westfalen mit Fug und Recht noch vor Holstein rangierte (von Hannover ganz zu schweigen). Die Karajans dieser Welt kommen erst noch.

Bleibt die Frage nach den Dressurhengsten und da sprechen die Körzahlen für sich.
Körung 2015:
24 Dressurhengste, davon 10 Fremdhengste (42 %) und nur 14 westfälisch gebrannt.
Körung 2016:
28 Dressurhengste, davon 9 Fremdhengste (32 %) und 19 westfälisch gebrannt.
Nachtrag Körung 2017:
45 Dressurhengste, davon 17 Fremdhengste (38 %) und 28 westfälisch gebrannt.


Mit 14-19 gekörten Dressurhengsten hat Westfalen das zahlenmässige Niveau der Trakehner Dressurhengste erreicht, die auf dem Bundesturnier in Hannover mit ähnlich mageren Starterfeldern aufwarten. Die Trakehner jedoch verfügen über eine valide Entschuldigung, denn sie rekrutieren sich aus einer Population, die nur 10 oder 20 Prozent der westfälischen Stutenbasis ausmacht (wenn man davon absieht, nach den Millenniums zu suchen, die reichlich in Neumünster gekört wurden aber mit einer Ausnahme auch in Hannover auf dem Bundesturnier nicht erschienen).

Darüberhinaus ziehen regelmässig einige Hengste vom Körplatz Westfalen im Landgestüt ein und die werden dreijährig grundsätzlich nicht vorgestellt (das kann man aus tierschutzrelevanten Gründen akzeptieren), fehlen aber inzwischen auch vierjährig (das mag in der Vergangenheit an Beritt und Ausbildung gelegen haben, sollte sich Dank der aktuellen Entwicklung in Warendorf aber inzwischen doch mal ändern?).

Grosszügiges Fremdkören ist also durchaus ein zweischneidiges Schwert. Was gut ist für die Kasse ist mitnichten gut für's Rennommee. Seit dem Westfalenkrach hat Westfalen eine rasante Entwicklung nach oben vollzogen, die niemand noch vor ein paar Jahren für möglich gehalten hätte. Handorf strotzt inzwischen gerade im Vergleich zu Hannover vor finanzieller Gesundheit (Zukauf Neugrundstück), besticht qualitativ durch Weltspitze bei den Springhengsten, bemüht sich der aktuellen dramatischen Entwicklung der matten Dressurpferde durch Fremdkörung entgegenzuwirken und verliert genau dabei auf ganzer Linie:

Das "Hengstchampionat" diese Woche in Handorf hat den Namen nicht verdient und ist eines Verbandes wie Westfalen, der seit einigen Jahren wieder in der Oberliga mitspielt, nicht würdig.

Eine Menge "food for thought" und ich hoffe, man findet Wege in Handorf, dieser Entwicklung konstruktiv entgegenzuwirken.

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9.2.2018

der Link zum offiziellen Text der FN





































































5.4.2018



 
FN Populismus Fremdreitertest

Die FN schafft den Fremdreitertest bei den Dreijährigen ab und in den sozialen Netzwerken jubelt das Volk dazu.
Man fragt sich was schlimmer ist.

Unverholener Populismus auf der einen Seite oder unreflekiertes Liken und Jubeln der Gutmenschen im Lemmingemodus?

Zehn Minuten Fremdreitertest machen den Unterschied zwischen Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit?
Man kann nur fassungslos den Kopf schütteln.

Der Fremdreitertest ist das geringste aller Übel, unter denen ein dreijähriges Pferd leidet. Im Gegenteil.
Manch ein Quetschberittpferd hat sich in der Vergangenheit unter einem angenehmen Fremdreiter zurecht profiliert und dadurch in aller Öffentlichkeit bewiesen, dass gutes Reiten reicht.

Damit ist nun Schluss.
Statt dessen wird einmal mehr das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Um Dreijährige zu schonen reicht es völlig, bereits geltende Vorschriften auch konsequent anzuwenden.
D.h. Quetschberittnummern aus prominentem Hause auch konsequent unterbinden und rauswerfen.
Die üblichen Verdächtigen im Sattel eben, deren Reiterei verkaufstüchtigem Auktions- und Hengstschaugezwirbel entspricht und wenig bis gar nichts mit der Aausbildungsskala zu tun hat.
Die Namen kennen wir alle, auch die Offiziellen in Warendorf.

Prominente Beispiele gibt es jedes Jahr wieder, eines davon kürten die Richter im letzten Jahr sogar zum Bundeschampion.
Hatte man das Pferd 6 Wochen zuvor noch unter anderem Beritt auf dem Landeschampionat erlebt (jungpferdegerecht und bestechend schön inszeniert) fiel es schwer zu glauben, dass dies das selbe Pferd sei.
Gezwirbelt und Gepiesakt hätten die Richter hier lässig eine 5 in der Ausbildung geben können und ein gewichitges Zeichen setzen können.
Alternativ hätte es auch eine öffentliche Verwarnung getan.
Der selbe Stall würde sich künftig gut überlegen, seine Pferde weiterhin in Zwirbelmanier öffentlich vorzustellen.
Statt dessen wird ein Cchampion davon gekürt und die Zwirbelei erfährt Bestätigung und Anerkennung auf höchstem Niveau und damit psychologisch wertvolle Verstärkung..

Wenn man ein Tier für Fehlverhalten lobt wird es zum Wiederholungstäter.
Profiställe funktionieren nach dem selben Prinzip.
Profireiter sowieso.

Nun muss also der Fremdreitertest dran glauben.
Warum eigentlich?

Ein Pferd geht kaputt an der Tag-für-Tag-Zwirbelei zu Hause und nicht an einem zehnminütigen Fremdreitertest.
Das zu suggerieren ist reiner Populismus.
Und darüberhinaus das Eingeständnis, dass es am nötigen Rückgrat fehlt, die offensichtlich Schuldigen entsprechend zu bestrafen.
Die nötigen Vorschriften dazu sind längst vorhanden und werden Jahr für Jahr in seitenlanger Litanei vor der Prüfung verlesen.
Man muss sie nur auch konsequent anwenden und umsetzen.

Solange Richter und FN sich der Macht und dem Einfluss der grossen Namen hinter den Kulissen beugen, wird sich nichts ändern.
Junge Pferde werden weiterhin kaputtgeritten und zwar 7 Tage die Woche zu Hause.

Eine pikante Note erhält der FN Populismus darüberhinaus durch die Neuregelung bei den Vierjährigen.
Künftig soll dort der Fremdreiter mit den Richtern gemeinsam eine Rittigkeitsnote arrangieren.
Hört, hört.

Weil nicht sein kann was nicht sein darf?
Nachdem im letzten Jahr erstmals in der Geschichte der Bundeschampionate die Fremdreiter ein markantes Zeichen gesetzt haben weil sie n i c h t so rangiert haben, wie die Richter das vorgesehen hatten?
Wer , wenn nicht der Fremdreiter im Sattel ist in der Lage zu beurteilen, ob ein Pferd sich rittig anfühlt oder nicht?
Was kann ein Richter vom Boden objektiver in einer Rittgkeitsnote ausdrücken als ein Fremdreiter im Sattel?

Wenn überhaupt die FN hier ein Zeichen von Objektivität und Fairness hätte setzen wollte, dann gehörte allein die Richternote für die Rittigkeit auf den Prüfstand.
Eine Gumminote, die gefühlt durchaus dem Misbrauch unterliegt.
Statt dessen wird nun der Fremdreiter gedungen, sich mit den Richtern abzusprechen.
Wieso eigentlich?
Ein übles G'schmäckle, ganz besonders nach dem gewichtigen Fremdreitervotum im letzten Jahr.

FN-Bashing mag heutzutage zum guten Ton gehören, auch wenn es nicht immer ganz angemessen ist.
In diesem Fall hat die FN es allerdings nicht besser verdient.
Wer objektive Urteile dem Populismus opfert, die eigentlichen Übeltäter aber nachhaltig am Massnahmenkatalog vorbeilaufen lässt, dem gehören durchaus die Leviten gelesen.

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Mein Leserbrief zum Thema Fremdreitertest erscheint im Züchterforum:




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29.10.2018 Kooperation von Andreas Helgstrand und Paul Schockemöhle - Pferdezucht im Umbruch

Die erst kürzlich vermeldete Kooperation von Andreas Helgstrand und Paul Schockemöhle schlug bereits hohe Wellen.
Zunächst werden nur die Deckstationen mit dem Schwerpunkt Dressur zusammengelegt, eine weitere Zusammenarbeit in den Bereichen Zucht und Sport wird jedoch nicht ausgeschlossen.

Anlässlich der Hannoveraner Körung an diesem Wochenende sorgte die neugefundene Kooperation dann erstmals für eine Sensation, als ihr der teuerste Hengst in Verden für über 2 Millionen Euro zugeschlagen wurde.
Sensation für den Hannoveraner Verband, Schock für das verbliebene Universum der Hengsthalter.
Kleinere private Hengsthalter fürchten um ihre Existenz, aber auch Verbände sind besorgt.
Manch einer fürchtet um seine Körung, wenn kleinere Hengststationen den Körungen fernbleiben und nicht mehr als potentielle Käufer auftreten, weil sie von vornherein davon ausgehen müssen, dass vermeintlich "bessere" Hengste nun gar nicht mehr zu bezahlen sind.
 
Das Thema ist durchaus brisant und man muss sich fragen:

Kann man das den Markt noch allein regeln lassen?
Ein Kartellamt für Luxus&Leisure gibt es nicht.

Luxus&Leisure ist der sehr angemessene Begriff für die Branche, unter der der Private Equity Fund Waterland sein Engagement bei Helgstrand Dressage führt. Bereits zum Zeitpunkt des Waterland-Investments im Sommer 2018 verfügte Helgstrand Dressage über beeindruckende Umsätze:
50 Millionen Euro Umsatz, 30 Prozent mehr als im Vorjahr, ein durchschnittliches Wachstum von mehr als 25 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Die Pferde werden inzwischen in 35 Länder weltweit veräußert.

Ich möchte weder Züchter noch Hengsthalter vor sich selber schützen. Das ist Job des FN Zuchtausschuss und der Verbände.
Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass man sich dort den Ast absägt, auf dem man behaglich ruht.
Schon jetzt werden 80% der Stuten von 20% der Hengste gedeckt und das ist im Hinblick auf den Zuchtfortschritt schlimm genug.
Wenn künftig darüberhinaus 80% des Ertrags in 20% der Taschen fliessen, ist das freie Marktwirtschaft. Schön ist es dennoch nicht.

Die gesamte Problematik wäre mit einem einzigen Federstrich elegant zu lösen:

Sattelkörung ein Jahr später und rigoroses Deckverbot für dreijährige Hengste.

Wenn Hengste erst vierjährig und geprüft decken dürfen, wird der groteske Freilaufzirkus mit all seinen absurden Auswüchsen sich sehr schnell von selber erledigen. Weil der Mark sich entzaubert und entzerrt.
Unter dem Sattel relativiert sich der Glanz manch eines Freilaufsternchen verblüffend, und der Weizen wird reeller von der Spreu getrennt. Gleichzeitig erhalten Hengstaufzüchter und Aussteller, die mit solider Ausbildung der vierbeinigen Protagonisten unter dem Sattel punkten können, zusätzlich eine reelle Chance. Wer weniger spektakuläre Freiläufer als überzeugende Sattelpferde zu präsentieren versteht weckt Begehrlichkeiten jenseits von Freilauf und Longe hinaus.
 
Immerhin sind es Reitpferde, deren sinnvoller Selektion die Körung dienen soll, nicht aber spektakuläre Freiläufer, von denen viele unter dem Sattel an Glanz verlieren. An dieser Stelle empfiehlt sich der nüchterne Rückblick auf die Preisspitzen der Körungen der letzten zehn Jahre. Die wenigsten dieser Hengste hinterliessen später sportlich, und noch weniger züchterisch, auch nur annähernd so tiefe Eindrücke, wie die Preisschilder, mit denen man sie zweieinhalbjährig etikettiert hat.

Hotline?
Herzensdieb?
Don Deluxe?
Imhotep?
Spörken?
Borsalino?
Die Reihe kann beliebig fortgesetzt werden

Das mithin zum Jahresende auf den Körungen am höchsten gehandelte Geld ist durch die sinnvolle Entzerrung des Wettbewerbs nicht "weg", sondern wird nur anders verteilt. In einer vermutlich gesünderen Breite mit deutlich geringeren Schwankungen nach oben und unten. Weniger selektive Spitzen für 500.000 oder mehr, statt dessen zehn Stück für 50.000.

Ganz nebenbei wäre dies auch im Sinne des Tierschutzes der angemessene und längst überfällige Schritt zur altersgerechten Aufzucht und Ausbildung junger Hengste.
 
Der Appell an die privaten Hengsthalter muss also lauten:
Wer die Existenz bedroht sieht und den Exitus vermeiden will ist gut beraten, sich mit weniger ungeliebten Ansprüchen auseinanderzusetzen.
Einmalig ein Jahr Hengstaufzucht zwischenfinanzieren müssen, ist bitter und tut weh.
Danach lebt man aber weiter und der Zyklus spielt sich im Ryhtmus des dreijährigen Hengstdaseins ein.
Zum Wohle aller Beteiligten.

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31.10.2018 Das Langestüt Warendorf gibt die Kooperation mit Andreas Helgstrand bekannt:
Das Gegenteil von gut gemeint ist gut gemacht


Seit dem Frühjahr ist Kristina Ankerhold neue Leiterin im Landgestüt in Warendrof.
Ich verstehe, dass man als Quereinsteiger und Neuling in dem Geschäft Hilfe benötigt.
Allerdings wünscht man sich etwas mehr Fingerspitzengefühl - in der Wahl der Partner, wie auch in der Kommunikation.

Bislang agiert die neue Führung nach dem Grundsatz:
das Gegenteil von gut gemeint ist gut gemacht.

Das begann mit den vollmundigen Statements im Frühjahr, die etwas unglücklich formuliert manch einem suggerierten, bislang habe es im Landgestüt nur Hengste 2. Wahl gegeben.
Aktuell zieht nun als erster Neuzugang der neuverkündeten Kooperation mit Don Delux ein lahmer Hengst in Warendorf ein.

Es setzte sich fort mit dem Umzug des Fiano in die freie Wildbahn, was erstmals auch Tierschutzgedanken unter den Kritikern forcierte.
Dabei war das Prozedere dem Vernehmen nach gut abgestimmt und umgesetzt, lediglich die Kommunikation war miserabel:
eine eigenständige Pressemeldung mit den wesentlichen Details über das sukzessive Aauswildern des Hengstes hätte dieser Aktion zu dem verholfen, was sie war:
ein klarer Punkt für's Gestüt.

Nun also die Kooperation eines Staatsbetriebes mit dem grössten Pferdehändler der Welt.
Timing und Umstände könnten unglücklicher nicht sein.
"Der Feind in meinem Bett", ist nicht notwendigerweise eine Assoziation, die die öffentliche Klientel als Bereicherung versteht.
Das zu verstehen, muss man kein PR Profi sein.
Gesundes Fingerspitzengefühl reicht völlig.
Herr Helgstrand mag rechtlich unbescholten (er ist es nicht) und auch sonst ein netter Kerl sein.
Doch hat es seinen Grund, dass anlässlich seiner Auftritte auf der WM in Verden 2015 aufgebrachte Zuschauer den Ruf prägten:
"Kampfsport Dressur!".

Diesen Ruf hat er sich verdient.

Das Gestüt Bonhomme zog es seinerzeit vor, eine gemeinsame Hengstschau mit Herrn Helgstrand zu boykottieren und erntete dafür Applaus.
Simone Pearce (ehem. Bereiterin im Stall Helgstrand) wurde aktuell in der Presse zitiert, "sie werde sich im norddeutschen Raum niederlassen, um mit einer Gruppe hauptsächlich australischer Partner einen Betrieb aufbauen, von dem sie hofft, dass es ein Ort sein wird, an dem Pferde „so trainiert und auf Turnieren vorgestellt werden, dass sie ihr volles Potenzial entfalten können, aber das auf die glücklichste und pferdefreundlichste Art und Weise“."
Das kann, aber muss nichts heissen.
All das muss man als Quereinsteiger und Neuling in dem Geschäft nicht selbst miterlebt haben.
Verstehen sollte man es allerdings.

Es drängt sich der bittere Eindruck auf, dass das Landgestüt Warendorf seine besten Tage einmal mehr bereits hinter sich hat.
Es war die Zeit, als das Gestüt führunglos unter kommissarischer Leitung offensichtlich einiges richtig gemacht hat.
Die imposante Entwicklung der Deckzahlen der letzten beiden Jahre spricht für sich.

Ich habe selber nach vielen Jahren Gestütsboykott in diesem Jahr erstmals gleich mehrere Stuten in Warendorf decken lassen und war stolz darauf.
Es täte mir bitter leid, wenn es auch das letzte Mal bliebe.

 
8.12.2018 Hengstleistungsprüfung in Tschechien:
Der feine Unterschied zwischen legal und legitim


Leserbrief von Johann Hinnemann im Züchterforum 12/2018

In Tschechien haben aktuell zwei vierjährige deutsche Hengste mit überdurchschnittlichen Noten einen 80-Tage Test absolviert und damit dem Vernehmen nach die in Deutschland geltenden HLP-Anforderungen erfüllt. Das ist insofern bemerkenswert, als beide Hengste zuvor mehrfach am deutschen HLP System gescheitert sind, nachdem sie Prüfungen nicht bestanden oder aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen haben.

Ich stelle weder die Kompetenz des tschechischen Richtergremiums in Frage, noch die der deutschen HLP Richter, die zum Teil über Qualifikationen bis hin zum Grand Prix Sport verfügen.

Es ist eine Sache, wenn ein Erstling formbedingt einmal eine Prüfung nicht besteht. Eine völlig andere Sache ist es jedoch, bereits mehrfach aus gutem Grund in Deutschland nicht erfolgreiche Hengste im Ausland vorzustellen und damit im Inland geltende Ansprüche zu unterlaufen.
Eine Anerkennung dieser Prüfungsergebnisse durch die FN wäre ein Vertrauensbruch mit dem hier geltenden Status Quo, daran ändert auch geltendes EU Recht nichts. Wir wollen und müssen in Deutschland funktionale und belastbare Sportpferde züchten, alles andere hiesse, das deutsche Selektionssystem ad absurdum zu führen.

Unser deutsches Prüfungssystem ist bereits grossmaschig angelegt und bietet für Hengste jeden Alters mehrfach die Möglichkeit, sich zu bewähren. Wenn Hengste aber schon im Alter von drei und vier Jahren wiederholt gescheitert sind muss man sich fragen, warum das so ist, statt nach Auswegen zu suchen. Schliesslich dient die HLP nachfolgend den verschiedenen Körmodellen der weiterführenden Selektion im Sinne des Zuchtfortschritts, und der fordert nicht nur entsprechende Funktionalität sondern mit gutem Grund auch Haltbarkeit und Belastbarkeit.

Als Züchter, Hengsthalter und Ausbilder erhebe ich den Anspruch einer auf langfristige sportliche Bewährung ausgelegten Selektion für jedes unserer Ausbildungspferde, ganz besonders aber für unsere Deckhengste, denn deren Nachkommen sollen mich eben in diesen Aspekten überzeugen:
langfristig sportlich über Jungpferdechampionate hinaus.

Ich kritisiere nicht das deutsche HLP System, das in seiner Vielschichtigkeit hinreichend Optionen bietet. Ich kritisiere die willkürliche Handhabung eines anerkannten Systemes zu dem Zweck, Hengsten im nachhinein eine Absolution zu erteilen, die in ihrem jungen Leben noch keinen Turnierplatz gesehen haben und von deutschen HLP-Richtern aus gutem Grund bereits mehrfach nicht akzeptiert wurden. Verbände und FN müssen sich die Frage gefallen lassen, wie glaubwürdig ein Selektionsmodell ist, wenn man sich mehrfachem Scheitern durch Auslandsbesuche entziehen kann. Nachträgliche Legitimation erster Fohlenjahrgänge ungeprüfter Hengste ist aus kommerzieller Sicht verständlich, Systemzweck ist es nicht. Wenn dieses Beispiel Schule macht wäre es der Anfang vom Ende des deutschen Zucht- und HLP-Modells.

Johann Hinnemann, Voerde

 
13.4.2019 Beatle ist gelegt - ein Kommentar

Zweijährig wurde Beatle gemeinsam mit allen zur weiteren Hengstvorbereitung in Frage kommenden Kandidaten seines Jahrgangs getüvt. Kommentarlos erhielt ich eines Tages im Frühjahr eine Kopie seines TÜV Protokolls, komplett „ohne Befund“. Das war ein echtes Highlight!

Wer Sportpferde züchtet und als Fohlen verkauft ist dankbar für jede gesundheitliche Referenz der Nachzucht des eigenen Stutenstammes. Ich schien grosses Glück gehabt zu haben mit der Wahl meiner beiden Stammstuten Fannie Mae und Fabrice, deren gereifte Nachzucht -soweit ich den Kontakt zu den späteren Besitzern erhalten konnte- bislang dem Vernehmen nach allesamt „Tüv-unkritisch“ daherkam.

Nun stand zur Diskussion, ob Beatle Hengst bleiben und für die Körung vorbereitet werden sollte.
Eine spannende Entscheidung, die den Zeitgeist unserer modernen Dressurpferdezucht reflektiert.

Sein unkompliziertes aufgeschlossenes Wesen hat Beatle sich bis heute behalten, dazu die immer locker schwingende Bewegung gegeben aus einem entspannten Körper, in meinen Augen das wertvollste Prädikat, durch das ein späteres Reit- und Sportpferd sich auszeichnet:
Locker i s t ein Pferd oder es ist es nicht. Locker „machen“ kann man nicht.

Beatle ist ein funktionales und körperharmonisches Pferd in guter Dreiteilung mit einem stabilen Rücken auf korrektem Fundament, das Hinterbein ist funktional angelegt und hebelt tief und nicht raus, dazu der stets sicher räumende Schritt. Ein komplettes Pferd.
Keine Frage:
Mit Beatle hat Darnell einen in jeder Hinsicht gelungenen Erstling gezaubert, auf den ich sehr stolz bin!

Als Beatle kurz darauf gelegt wurde, hat es mich dennoch nicht überrascht.
Die Erklärung war einfach und nachvollziehbar.
„Als gutes Reitpferd bringt der mehr Geld als auf jeder Körung!“

So ist das.
Vier Benicio-Söhne kamen im letzten Herbst in Westfalen zur Körung, drei davon wurden gekört und zwischen 35.000 und 55.000 Euro auf der Auktion zugeschlagen. Moderate Preise für gekörte Hengste in der heutigen Zeit. Der Hengstmarkt fragt andere Typen nach.

Spektakuläre Pferde mit aufwändigen Bewegungen aus Schulter und Oberarm und den meist positiv korrelierenden Abstrichen dazu im Schritt. Funktionalität im Hinblick auf Haltbarkeit und späteren Sporteinsatz, der Hankenbeuge und tiefes Setzen in der Versammlung fordert, wird nicht bezahlt. Merkmale, die für den Laien und Fohlenzüchter schwer bis gar nicht zu erkennen sind und erst im gereiften Sattelpferd und der weiterführenden Ausbildung zum tragen kommen.

Ausdrücklich nicht mein Zuchtziel und kein Grund zur Enttäuschung. Dennoch hätte ich mich sehr gefreut, mit Beatle den dritten gekörten Sohn meiner Stuten gezüchtet zu haben. Ich hatte durchaus daran zu knabbern.

Sportlich bedeutend und züchterisch wertvoll ist die Referenz eines selbstgezogenen sporterfolgreichen Spross im grossen und grösseren Viereck. Doch der Weg ist weit und hat selbst bei erfolgreicher erster Selektion hauptsächlich mit Verkaufs- und Ausbildungsmanagement zu tun. Nichts davon liegt in der Hand des Züchters..

Sollte ich mein Zuchtziel umstellen und dem Markt folgen?
Die Frage nach dem persönlichen Zuchtziel definiert sich heutzutage als Frage nach dem kurzfristig kommerziellen Fohlenverkauf oder langfristig nicht planbaren Sporterfolg.
Meine Entscheidung habe ich schon vor Jahren getroffen:
Komplette Reitpferde mit drei Grundgangarten und Anspruch auf langfristige Haltbarkeit, gegeben aus einem funktionalen Bewegungsablauf.
„Funktional“ im sportlichen Sinne.
„Dressur“ und Haltbarkeit gingen früher einmal Hand in Hand, so ist die Heeresdienstvorschrift entstanden und aus ihr heraus die klassische Ausbildungsskala.
Das eine bedingt das andere.

Klassische Dressurausbildung soll die Pferde sinnvoll gymnastizieren.
Erfolgreiche Dressurausbildung hatte einmal zum Ziel, die Belastbarkeit des Pferdes langfristig zu unterstützen. Heute ist das anders.

Heute leben wir im Zeitalter des frühen Verschleiss', der meist mit Fesselträger- und Sehnenschäden einhergeht. Prominente Hengstlinien erweitern den gesundheitlichen Bereich um ataktische Ausfälle, schweiftote Pferde und -aktuell diskutiert- Shivering. Die Aufzählung ist wertfrei und kann durchaus gegenseitig bedingt sein.
Pferdekliniken leben gut davon.
Zuchtverbände ganz besonders.
Verkürzte Haltbarkeitszyklen kurbeln den Umsatz an.
Heute spezifische Selektionskriterien bedienen überdimensionierte Pferde mit ebenso überdimensionierten Bewegungen bei gern verziehenen Abstrichen einer dritten Grundgangart, dem Schritt.

Entsprechend haben Zuchtschauen und Körungen eigenständige Selektionskriterien entwickelt, die kuriose Blüten treiben. Auch der Gesundheitsstatus als erstes Selektionskriterium wird dem Züchter in Deutschland bereits hier bewusst vorenthalten.

Junghengste mit spektakulären Bewegungen dominieren den Fohlenmarkt. Häufig noch ungeprüfte Kandidaten machen heute achtzig Prozent aller Dressuranpaarungen aus.
Achtzig Prozent.
Von diesen Junghengsten erreichen nur wenige die nachhaltige sportliche Reife jenseits von Jungpferdeprüfungen oder HLP. Der Fall „Sensation“ ist ein typischer Auswuchs moderner Jungpferdeselektion.
Die meisten Pferde scheiden wegen gesundheitlicher Mängel aus, viele entpuppen sich mit zunehmender Arbeit unter dem Sattel auch nicht unbedingt als interieurbedingt forderbar.
Das eine bedingt auch hier das andere.
Aufwändig angezüchtete Bewegungsabläufe gehen einher mit Spannung, die auch zwischen den Ohren kompensiert werden muss. Die Natur hat einen solchen Mechanismus nicht vorgesehen.
Weshalb „Nerv“ heute ganze Hengstlinien auszeichnet – oder eben nicht.

Der Weg zum Grand Prix Pferd ist lang und extrem selektiv.
95 Prozent unsere Pferde bedienen Amateure und Freizeitreiter.
Kein Makel.
Das Zuchtziel „Sportpferd“ und Amateurpferd muss sich nicht ausschliessen.
Im Gegenteil.
Ein komplettes Pferd mit funktionalen Abläufen sollte eben diese 95 Prozent des Marktes ganz genau so bedienen, wie sportliche Ansprüche auf jedem Niveau.
Sollte.
Wenn das Interieur intakt ist und „Nerv“ dem ebenso wenig im Wege steht wie häufige Klinikbesuche und instabile Konstitution.

So weit war ich mit meinen Grübeleien gekommen.

Ob aus Benicio einmal ein Grand Prix Vererber wird, steht noch aus. Die nachkommenstarken Jahrgänge wachsen gerade erst ins sattelfähige Alter. Als ordentlichen Reitpferdemacher sehe ich den Hengst allemal. Der Grund, weshalb Fannie in diesem Jahr bereits das vierte Mal von Benicio gedeckt wurde und der sympathische Bunting auch mit Darnell und Daktari zum Einsatz kam und so bereits sechs Mal in den letzten drei Jahren in meiner kleinen Hobbyzucht Einzug hielt. Soweit ich das von meinen eigenen Fohlen und Jungpferden beurteilen kann, sind diese allesamt mit einem gesunden Nerv ausgestattet. Erste Voraussetzung auch für einen guten Schritt später unter dem Sattel.

Das Angebot kompletter Reitpferde im guten bis überdurchschnittlichen Segment ist knapp, und das nicht erst seit der Wirtschaftskrise vor zehn Jahren, die die Deckzahlen und den heutigen Remontebestand nahezu halbiert hat.
Seit Jahren fördert marktorientierte Selektion auf Körungen den spektakulären Junghengsthype und beflügelt damit einen Fohlenmarkt, der zu achtzig Prozent eben solche spektakuläre Fohlen produzieren soll. Das eine bedingt auch hier das andere.
Der Ausschuss ist immens, die nachwachsende Generation zeichnet sich selten durch komplette und funktionale Pferde aus. Die zweifelhafte Qualitätsdichte bei den vier- und fünfjährigen Sportprüfungen im Frühjahr legt hiervon beredtes Zeugnis ab. Weshalb der Markt für qualitätsvolle Sattelpferde sich mittlerweile vollständig vom Zuchtgeschehen abgekoppelt hat.
Nun soll das Abschaffen der Mindestnote die Rettung sein?

Absolut verständlich, wenn der Aufzüchter lieber ein oder zwei Jahre mehr in ein späteres Sattelpferd investiert, das als qualitätsvolles Sportpferd mit entsprechender Ausbildung sehr viel mehr Geld in die Kasse spült als ein potentieller gekörter Hengst, der reell und funktional, aber nicht spektakulär daherkommt. Zwei Jahre nach der Körung ändern sich die Schwerpunkte, denn reelle Pferde sind rar und entsprechend teuer nachgefragt, und das nicht nur vom Profi.

„Als gutes Reitpferd bringt der mehr Geld als auf jeder Körung!“

Konsequent zu Ende gedacht heisst das:
Wir züchten für die Körung eine andere Sorte Pferd als die, die wir später unter dem Sattel nachfragen. Obwohl die Körung per Definition der Selektion von Reit- und Sportpferden zur Zucht dient.
Die Situation ist grotesk.
Wenn die Körung das eigentliche Zuchtziel nicht mehr bedient, mit welchen Hengsten züchten wir künftig die Pferde, die später exakt diesem Zuchtziel entsprechen sollen?
 
8.9.2019 Ermelo - Kapitalschlacht auf vier Beinen
Mein Leserbrief im aktuellen Züchterforum 09/2019 zur Weltmeisterschaft der jungen Dressurpferde in Ermelo

Wenn ausgerechnet die angelsächsische Presse sich durch kritische Berichterstattung zu diesen Weltmeisterschaften hervortut, dann ist einiges faul, und das nicht nur im Staate Dänemark. Dem Online-Portal Eurodressage und besonders dem in angelsächsischen Züchterkreisen viel beachteten Horse Magazine gebührt Respekt für die kritische Kommentierung vor Ort. Es ist bezeichnend, dass es im Deutschen keine adäquate Übersetzung für Horsemanship gibt. Möglicherweise haben die Angelsachsen uns hier tatsächlich etwas voraus.

Klasse entsteht aus Masse, das ist im Sport nicht anders als in der Zucht. Wer das meiste Kapital investiert, der verfügt zwangsläufig über die besten Pferde. Solange gebührendes Horsemanship dabei nicht verloren geht und die Unabhängigkeit aller Beteiligten gewährleistet bleibt, kann man dennoch weltmeisterliche Ansprüche an eine Veranstaltung stellen, die heute in erster Linie von Kapitalkraft dominiert wird.

Nun sind Leistungssport und Reiterei nicht erst seit gestern ein zweischneidiges Schwert. Wird dieser Leistungssport auf dem Rücken junger Pferde ausgetragen (im wahrsten Sinne des Wortes), sind Funktionäre und Offizielle ganz besonders angehalten, auf die Einhaltung reitsportlicher Grundsätze zu achten. Hier ist die Ausbildungsskala eindeutig, zumindest auf dem Papier.

Schon der Versuch, die Trab-Tempi der Remonten zu differenzieren, die bereits beim Einreiten ins Viereck in Ermelo vorgelegt werden, gerät in vielen Fällen zu einer intellektuellen Herausforderung. Die Richtlinien für Reiten und Fahren geben keine Antwort auf Gerittensein über Tempo, insbesondere als alles, was über klar definiertes Arbeitstempo hinausgeht, auch Rahmenerweiterung fordert. Rahmenerweiterung sieht man selten in Ermelo. Nasen deutlich hinter der Senkrechten zieren die meisten Trabfotos auch wohlwollender Berichterstatter (Bsp. Züchterforum 8/2019). Momentaufnahmen, nichtsdestotrotz entlarvend in Zeiten, in denen Hochleistungskameras bis zu fünfzig Einstellungen pro Diagonale hergeben. Sollte es doch einen Zusammenhang geben zwischen unangemessener Beizäumung und spektakulären Bewegungen, die nicht in altersgerechter Selbsthaltung über den Rücken zum tragen kommen?

Höchstnoten gibt es dennoch für dieses Traben.
Der entsprechend verspannte Schritt, ländlich im 6-7er Bereich angesiedelt, wird minutiös passend gerechnet. „All the rest a ten!“
So kann man auch einen Schenkelgänger zum Weltmeister machen.

Starken Trab fordert die FEI Aufgabe der 5-jährigen sehr zurecht noch gar nicht. Wenn man den „Mitteltrab“ der Fünfjährigen zum Maßstab nimmt – wie sieht dann erst der starke Trab im nächsten Jahr aus? „When will a judge at C have the guts to ring the bell and say ‘sorry, error of course, please ride a medium!“ Diesen Sarkasmus muss man lieben.

Bei den Sechsjährigen verzichtet die FEI inzwischen auf das Rückwärtsrichten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ausdrücklich jedoch fordern beide Aufgaben noch immer als letzte Lektion „Halt – Immobility – Salute“. Immobility.
Angesichts der nicht existenten Grussaufstellung manch eines gefeierten Protagonisten ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch das Halten dem Rückwärtsrichten folgt und ersatzlos gestrichen wird. Zirzensik als Ersatz klassischer Grundausbildung.

In seiner Kommentierung findet das Horse Magazine deutliche Worte. Da ist die Rede von abgekochten Jungpferden, schlechtem Richten und deplatzierten 5-jährigen Grand Prix-Pferden ("...hopelessly compromised by watching over-cooked babies being rewarded by bad judging?“
".... looked wildly out of place. Now we have five year old Grand Prix horses, our little press gallery muttered in one voice.", "... it was a five year old moving like a ten year old", "Does it really look like a five year old? No, but seemingly that is not the criteria.")

Chefrichterin Fransen-Iacobaeus, zufällig aus Dänemark, bedankt sich bei den Reitern, die ihre Pferde so harmonisch vorgestellt haben. Manch anderer glaubt, eine andere Prüfung gesehen zu haben. "... but my neighbour (who just happens to be a top dressage rider) and I decide we must have been watching a different test than the one the judges saw … It’s raining, the equestrian gods crying perchance?" Die hippologischen Götter weinen. Wahrnehmung ist subjektiv, Richten ganz besonders.

In einem hat Frau Fransen-Iacobaeus zweifellos Recht. „In der Vergangenheit wurde doch divers zu forciert geritten,“ formuliert sie höflich. Wir erinnern uns an die letzte WM vor vier Jahren in Verden, als eine empörte Zuschauerin Richter und Offizielle im VIP-Zelt aufgebracht mit dem Begriff „Kampfsport Dressur“ konfrontierte angesichts Bewertung und Kommentierung der zweifelhaften Vorstellung des damals qualitätsvollsten Pferdes. Ein angesehener anwesender Reitmeister bat die Herren Miesner und Lauterbach um eine Antwort, denn „die Dame hat doch Recht?“ Von der FN ist bis heute keine Stellungnahme erfolgt. Das war lange bevor Private Equity Einzug in den Dressursport gehalten hat. Die Protagonisten im Viereck waren die selben.

Sprachlosigkeit vor Ort lässt sich bedingt entschuldigen, da eine WM eine FEI und keine FN Veranstaltung ist. Doch die Frage, ob die Pferde langfristig diese Art von Ausbildung überleben („And you wonder if the horse’s long term career will survive this sort of training.“) ist durchaus berechtigt. Der Grand Prix in Ermelo war zunächst für ehemalige Teilnehmer der Jungpferde WM konzipiert. Bei durchschnittlich 50 unterschiedlichen 5- und 6-jährigen Teilnehmern pro Jahr in den zurückliegenden zehn Jahren sollte man meinen, aus gut 500 Pferden -selbst nach lukrativem Besitzwechsel- ein bis zwei Dutzend Starter finden zu können. Insbesondere, als der Sponsor der Prüfung selbst die entsprechende Klientel mit eben diesen Pferden ausstattet. Die Prüfung jedoch wurde mangels Nachfrage nachträglich offen ausgeschrieben.
Sollte das Format der WM für junge Pferde dem Anspruch perspektivischer Selektion künftiger Grand Prix-Pferde doch nicht gerecht werden?

Zwei Championate in einer Woche gehen an keinem Pferd spurlos vorbei, ganz sicher nicht an einem Fünfjährigen. Müde und „deflated“, verbunden mit der Hoffnung, "let's hope [the horse] gets a well earned break now“, kommentiert Eurodressage die Auftritte eines einstigen Champions durchaus angemessen. Die Autorin übersieht jedoch, dass die Bundeschampionate bereits vor der Tür stehen. Horsemanship und Harmonie?

Die FN betont in ihren Grundsätzen: „Ziel jeder reiterlichen Ausbildung ist die Harmonie von Reiter und Pferd. … Diese Übungen zielen darauf, das Pferd gymnastisch auszubilden … Dressurreiten erhöht zudem die Leistungsfähigkeit des Pferdes. Im besten Sinne dient es der Gesunderhaltung des Pferdes, denn durch das Training werden die Kräfte des Pferdes gestärkt und seine Glieder gelenkig gemacht...“
Man hat den Eindruck, diese Grundsätze werden weltmeisterlich ad absurdum geführt.

Dressursport als Materialschlacht auf vier Beinen schafft sich selber ab, und das nicht erst seit Totilas. Da passt die aktuelle 8-Millionen-Klage um Cosmo gut ins Bild. Die öffentliche Meinungsbildung erfährt Dressurreiterei als Dekadenz. Man kann es ihr nicht verübeln.

Seit Jahren benötigt der Reitsport konstruktive Meinungsmache und Lobbyismus an allerhöchster Stelle. Aus diesem Grund unterhält die FN ein Hauptstadtbüro in Berlin. Dem patenten Leiter dieses Hauptstadtbüros könnte man die Arbeit schon in den eigenen weit diversiverzierten Reiterkreisen erheblich erleichtern, wenn man die Misstände gerade im Leistungssport bereits in ihrem Entstehen bekämpft. Die Bundeschampionate in Warendorf bieten dazu eine gute Gelegenheit, denn sie geniessen weltweite Aufmerksamkeit. Hier kann die FN als nationaler Verband der eher untätigen FEI mit gutem Beispiel vorangehen und Masstäbe setzen. Man wünscht sich daher, dass die FN und alle unsere deutschen Offiziellen sich einen Übersetzer ins Haus holen und die vielfältigen Kommentare der angelsächsischen Journaille mit der gebotenen Selbstkritik reflektieren. Höchste Zeit, die Grundsätze der klassischen Reiterei als Basis der Bewertung bei den Bundeschampionaten nicht nur laut vorzulesen, sondern auch einzufordern.

... in der Hoffnung, dass sich noch Richter finden, die über das nötige Rückgrat verfügen, altersgerechter Ausbildung Priorität über Kapitalkraft zu geben. Möglicherweise gewännen die Bundeschampionate dann auch wieder an Attraktivität für eine breitere Basis an Teilnehmern und fänden zurück zu dem, wofür sie einmal konzipiert wurden: das grösste Schaufenster der deutschen Pferdezucht. Denn eigentlich geht es uns allen doch um unsere Pferde?

Quellen u.a.
http://www.horsemagazine.com/thm/201...championships/
http://www.horsemagazine.com/thm/201...champs-ermelo/




 
1.10.2019 "Nicht überzeugend" - Zuchtleiter Uli Hahne übt Selbstkritik im aktuellen Hannoveraner 10/2019

Im aktuellen Hannoveraner Monatsheft übt Uli Hahne Selbstkritik.

Die EM in Rotterdam könne aus hannoveraner Sicht nicht zufrieden gestellt haben. Nur ein einziges Medaillenpferd mit Hannoveraner Brand sei nicht genug. ... Im Springen standen Hannover und das Rheinland mit leeren Händen da. (in dem Zusammenhang bemerkenswert, dass das kleine Rheinland, gemessen an dem zehnfachen der Deckzahlen aus Hannover, hier überhaupt mit in die Pflicht genommen wird.) Dabei gäbe es kaum noch einen attraktiven Springhengst, der (aktuell) keinen Zugang zum Zuchtprogramm findet.

(Das ist späte Reue, aber nicht zielführend argumentiert, da die aktuellen Championatspferde sich aus Bedeckungen von vor 10-15 Jahren rekrutieren. Die damalige Hannoveraner Springpferdezuchtselektion war häufig Schau- und politisch-, aber nicht notwendigerweise leistungssortorientiert.)

Rotterdam habe auch gezeigt, dass wir uns bei den Dressurpferden nicht auf Loorbeeren vergangener Jahre ausruhen dürfen.
Die Präsenz von Hannoveranern war in beiden Disziplinen eher übersichtlich. ... Über diese Ergebnisse kann auch auch das erfreuliche Abschneiden von Hannoveranern auf der EM der Buschreiter in Luhmühlen nicht hinwegtäuschen.

(Nein, das ist wohl so.
Insbesondere als das, was am Ende als Buschpferd Karriere macht, eher zufällig diesen Weg geht. Denn kein Züchter, der mit Mark und Pfennig rechnet, züchtet ernsthaft Buschpferde. Weil kein Verband auch nur ansatzweise den Einsatz von Blutpferden unterstützt.
Die Buttsche Idealistenzucht aus Hannover aussen vor dürfte alles, was in den vergangenen Jahren zu Ruhm und Ehre deutscher Buschreiterei beigetragen hat, eher zufallsbedingt seinen Weg dorthin gefunden haben. Allen voran der alles überragende Sam.
Kein Schaupferd.
Keiner Körung würdig.
Eher zufällig -mangels Rittigkeit?- bei MJ gelandet, und da hat zusammengefunden, was zusammengehört.
Nichts, womit sich auch nur irgendein Verband aufgrund zielgerichteter Zuchtselektion oder Support ein Loorbeerblatt anheften dürfte.
Bleiben allein die Spezialzuchten Springen und Dressur):

Hahnes Fazit:
Insgesamt müssen wir uns die Frage stellen, was uns daran hindert, bessere Pferde zu züchten und wie wir diese Hinderungsgründe beseitigen können.

Sic???

Da kann ich jetzt nicht anders und äussere mich frei nach Asterix und Obelix einmal komikhaft lateinisch erstaunt.
["sic?" -so lautet die Quelle; Hinweis darauf, dass eine Auffälligkeit in einem wörtlichen Zitat eine Eigenheit der Quelle selbst ist und kein Versehen der/des Zitierenden]

Vorab:

Ich finde es anerkennenswert, dass Hahne sich mit so einem selbstkritischen Beitrag öffentlich äussert.
Einsicht ist der erste Weg zu Besserung.
Wenn Selbstkritik künftig ein ernstzunehmendes und nachhaltiges Kriterium der neuen Zuchtleitung in Verden ist, dann muss man das anerkennend begrüssen.

Ob die abschliessende Frage -in der ersten Person plural formuliert- allerdings rethorisch oder tatsächlich ernst gemeint ist (ersteres sei ihm verziehen, letzteres kann ich gar nicht fassen, denn die Antwort liegt auf der Hand) bleibt dahingestellt.

Die Malaisen der Hannoverschen Springpferdezucht und -selektion sind immer wieder und ausführlich diskutiert und beschrieben worden. Man hat zu spät erkannt, dass man Leistungsspringpferde am ehesten mit Leistungsspringpferden, nicht aber mit gefälligen Freispringschaupferden züchtet.

Das eigentliche Problem liegt aber in dem Fohlen- und Freilaufmark und dem schnöden Mammon begründet.
Wer die schnelle Mark auf Fohlenauktionen und Hengstkörungen protegiert (und davon lebt), der muss sich nicht wundern, wenn Leistungspferde aussen vor bleiben.

Das Problem hat nicht allein Hannover, das Problem kennzeichnet die gesamte deutsche Sportpferdezucht, bei der Freilaufkörungen zum Jahresende allen Verbänden die Bilanzen sanieren. Der Grund, weshalb der Ruf nach Sattelkörung und erst späterer Leistungsanerkennung (Sport) seit Jahren unerhört bleibt.
Wer ungeprüfte Freiläufer 80% der Stutenbasis decken lässt, der muss sich nicht wundern, wenn am Ende keine Leistungspferde übrig bleiben.

Die Antwort auf Hahnes Frage (ob rethorisch oder ernstgemeint) kann daher nur lauten:

Abkehr vom ungeprüften Hengstmarkt, ganz egal wieviele Dollars die strahlenden Freiläufer auch kurzfristig in die Kasse spülen mögen.
Abkehr vom allseits hofierten Fohlenmarkt des schnellen Geldes, der auch nur Freiläufer (Dressur) oder Papiertiger (Springen) propagiert, nicht aber künftige Leistungsträger selektiert (so wenig, wie das eine Freilauf/Springkörung tut).

Hin zum leistungsgeprüften Sportpferd und der Erkenntnis, dass nicht alles, was früher gut war, heute überholt sein muss.
Im Klartext heisst das:

Kein Hengst darf 3-jährig mehr decken.
Decken darf nur noch, was sich sportlich erwiesen hat.

Früher gab es einen 300-Tage Test.
Damals war Deutschland allen internationalen Zuchtgebieten sportlich voraus.

Das KÖNNTE auf eine positive Korrelation beider o.g. Thesen hindeuten???

...

Es mag seinen Grund haben, dass Holland und Belgien (jedes für sich lebt von weniger Stuten /Bedeckungen als das grosse Hannoveraner Zuchtgebiet noch heute) uns seit Jahren rechts und links im Leistungssport überholen, weil dort Leistungsträger und nicht Freilaufkörsieger oder Schausieger angepaart werden?

Es könnte seinen Grund haben, dass das knallharte holländische Leistungsprüfungssystem über mehrer Jahre am Ende nur noch wenige Hengste zur Zucht übrig lässt, diese sich aber durchaus selbst (wenn sie die knallharte Selektion überleben) oder durch ihre Nachzucht im grossen Viereck bzw in grossen Kursen hervortun?

Möglicherweise ist der langfristige Weg über den Ssport sehr wohl das ehrlichste und preisgünstigste Selektionsverfahren?
Damit können wir dann auch getrost auf alle HLPs nebst kostspieligen, aufwändigen und unverständliche Reformen verzichten (die den Hengsthalter auch nur Geld kosten und selten wirklich ergiebig sind, Stichwort: Erhalt der Mindestnote?) und uns schlicht auf das besinnen, was Bestand hat:
nachhaltige Sporterfolge.

Damit wäre dann auch der kapitalträchtigen Übermacht eines derzeit alles dominierenden Andreas Helgstrand auf natürliche Weise ein Riegel gesetzt, denn auch dessen strahlende Freiläufer hätten sich zunächst unter dem Sattel zu beweisen. Dass aus der AH-schen Manufaktur wenig genug echte Grand Prix-Pferde weltweit übrig bleiben, hat die mangelnde Resonanz auf den GP in Ermelo einmal mehr bewiesen. Die meisten dieser spektakulären Pferde dürften auf dem Weg nach ganz oben den Krankenschein eingereicht haben.

Nichts davon sind neue Erkenntnisee.
Alles ist schon zu genüge und in epischer Breite diskutiert worden.

Es macht mich daher wundern, dass der Zuchtleiter des noch immer grössten deutschen Verbandes ernsthaft die Frage stellt:
Was hindert uns daran, bessere Pferde zu züchten und wie können wir diese Hinderungsgründe beseitigen?

Herr Hahne, die Antwort liegt auf der Hand:
Wir stehen uns mit dem gängigen System einzelner unproduktiver Verbände selbst im Weg.

Gründen Sie einen einzigen deutschen Sportpferdezuchtverband, stellen Sie sich der kommerziellen Macht der Hengsthalter in den Weg und sorgen Sie dafür, dass auch der letzte Züchter begreift, dass ein schönes schwarzes Fohlen mit aufwändigem Vorderbein nicht das Mass der Dinge ist.

Die kommende Körung in Verden bietet die ideale Gelegenheit, den Schalter umzulegen.
Bleiben Sie ehrlich und verhindern sie Mondpreise, suggerieren Sie den nicht-sattelaffinen Züchtern n i c h t, dass Freilaufkönige das Mass der Dinge sind, sondern setzen Sie sich dafür ein, dass auch diese Hengste erst decken dürfen, wenn sie sich hinreichend unter dem Sattel verdient gemacht haben. Setzen Sie sich für eine Sattelkörung ein und erklären Sie ihren Hengsthaltern, dass Sportpferdezucht in erster Linie dem langfristigen Zuchtfortschritt dient und nicht der schnellen Mark.

Propagieren Sie nicht Vieldecker sondern erklären Sie Ihren Züchtern, dass Klasse aus Masse ensteht und 300 und mehr Stuten für einen Hengst zwar der Kasse des Hengsthalters guttun, aber nicht notwendigerweise dem Zuchtfortschritt dienen.
Veröffentlichen Sie dazu die individuellen Deckzahlen aller Hengste, damit jeder nachvollziehen kann (auch die nicht-sattelaffinen Züchter), aus welcher unterliegenden Masse die vermeintlichen Elitefohlen einzelner Hengste produziert werden und lehren Sie ihre Züchter und Kunden, ein Pferd von hinten nach vorn, und nicht von vorn nach hinten zu beurteilen. Ein aufwändiges Vorderbein ist auf dem Weg nach oben eher ein gesundheitlicher Makel und nicht notwendigerweise ein Qualitätsmerkmal. Hankenbeuge ist das Stichwort und die mit ihr einhergehende potentielle spätere Tragkraft. Lehren Sie das ihre Züchter und täuschen Sie sie nicht durch sensationsheischende Fohlenpreise, an denen Ihnen aus Sicht der Verbandskasse ebenso gelegen ist wie an auffälligen Vorderbeinen oder schwarzen Jacken.

Machen Sie die aktuellen Vet-Stati der Hengste zur Körung öffentlich und lassen Sie so jeden Züchter selber entscheiden, ob er sich einen potentiellen Hufrollekandidaten in die Zucht holen will oder einen unauffälligen Chipkandidaten bevorzugt.
Veröffentlichen Sie die potentielle Sehnenanfälligkeit aller ihrer in Hannover zugelassenen Hengste aus der vorhandenen Gesundheitsdatenbank und lassen Sie die Züchter selber begreifen, dass es eine positive Korrelation gibt zwischen auffälliger Vorderbeintätigkeit und langfristiger Haltbarkeit. Erklären Sie ihren Züchtern, dass ein funktionales Reitpferd sich von hinten nach vorn definiert und dass allein dies die Pferde sind, die künftig überhaupt die notwendige Sattelreife für Europameisterschaften erreichen können.
Lehren Sie ihre Züchter, dass Funktionalität nur eines von vielen Merkmalen ist, über die sich ein erfolgreiches Leistungssportpferd definiert. Ein anderes ist die Schaltzenrale zwischen den Ohren. Lehren Sie ihre Züchter daher auch, dass der Schritt zwingende Voraussetzung für die dritte Grundgangart ist und ein Fehlen derselben häufig negativ korreliert mit allen Anforderungen notwendiger Beizäumung in der versammelnden Dressur. Lehren Sie ihre Züchter, dass ein auffälliges Fohlen oder ein auffälliger Junghengst zur Körung und ein künftiges Leistungssportpferd meist zwei verschiedene Paar Schuh' sind.

Und überlegen Sie sich gut, ob Sie in Hannover wirklich langfristig wieder international erfolgreiche und wettberwerbsfähige Sportpferde produzieren wollen. Denn die Forderung nach Leistungssportpferden auf internationalen Championaten geht nicht einher mit der schnellen Mark für Züchter und Verbandskasse auf Fohlenauktionen oder Körung zum Bilanzstischtag.
Man kann sich nunmal nicht waschen, ohne sich dabei auch nass zu machen.

Es hat seinen Grund, dass ein Paul Schockemöhle aus seinen 800 und mehr 2-jährigen Jungpferden p.J. auf der Lewitz gar nicht mehr für den landesweiten Körzirkus selektiert. Weil es ihn nicht interessiert. Die Pferde werden nach entsprechender Sattelreife landesweit unter den Profis verteilt und wer sich bewährt, wird ohnehin früher oder später gekört. Von welchem Verband, ist dabei völlig unerheblich. Die Züchter entscheiden selbst anhand von Sporterfolgen.
So, und nur so, selektiert man Springpferde.
So, und nur so, wurde ein Chacco Blue zum Verereber gemacht.

... und sollten die von Ihnen angeführten Buschpferde mehr als nur das obligatorische Feigenblatt sein, mit dem die Verbände sich bei Championatsreife gern schmücken, dann sorgen Sie dafür, dass auch der Vollbluteinsatz in Hannover wieder entsprechend honoriert wird. Immerhin verfügt Hannover noch über ein Landgestüt, das auch Junghengste ankauft. Aus einem Landgestüt macht man heutzutage zwar kein Hauptgestüt mehr. Aber man könnte sich als Verband, dem ernsthaft an Bluteinsatz liegt, durchaus dadurch hervortun, dass man den Ankauf einer geringen Quote von Halbbluthengstfohlen pro Jahr in Celle sponsort und diese auch prüfungs- und sportübergereifend in den ersten Jahren unterstützt. Das kostet den Verband eine 5-stellige summe pro Jahr, in etwa der Betrag, der derzeit allein für Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgeldern ausgegeben wird. Einen solchen Betrag alljährlich dem ernstgemeinten Vollbluteinsatz zu allokieren, wäre eine sinnvolle und durchaus auch zuchtfortschrittlich dienende Investition. In jedem Falle würde Hannover dadurch Schulterschluss zum Landgestüt beweisen, tatkräftig Zeichen setzen und -last but not least-, liesse sich so eine Aktion vermutlich auch medienwirksam gut verkaufen.
 
7.12.2020 Westfälische Hauptkörung und das Körsystem der Zukunft

Die Westfälische Hauptkörung im November 2020 hat Zeichen gesetzt. Bereits anlässlich der Vorauswahl war dem ein oder anderen Mitglied der Körkommission der Kragen geplatzt, was zu einem denkwürdigen Aufruf der versammelten Ausstellerbranche hinter verschlossene Türen im Casino des Westfälischen Pferdezentrums führte. Zurecht.

Bilder von verkrampft springenden Hengsten und unnatürlichen Bewegungsabläufen sind Probleme, die man bei weitem nicht nur aus Westfalen kennt. Ich erinnere kürzlich noch einen Beitrag vom scheidenden Holsteiner Verbandsvorsitzenden Dr. Nissen gelesen zu haben, da schrieb er sinngemäss:

Wir überlegen schon lange (sic!), wie man gerade dem Freispringen wieder auf "natürliche" Weise gerecht werden kann. Im Sinne der jungen Pferde und Interessenten, um angemessene Einschätzungen zur naturgegebenen Springveranlagung zu ermöglichen. Nur "naturgegeben" wird schliesslich auch vererbt.

Verkrampfte Gewaltsätze sind nicht zu beurteilen, so wird auch Thomas Münch zitiert, "es ging aber nicht nur um die Springhengste. Auch unnatürliche Abläufe bei den Dressurhengsten wollen wir nicht mehr sehen."

„Auf die Vorfälle der vergangenen Woche möchten wir reagieren. So werden wir auf unserer diesjährigen Körung vermehrt Stewards zur Überwachung der Geschehnisse hinter den Kulissen einsetzen. Sowohl im Stall als auch bei der Vorbereitung. Zusätzlich planen wir in den Vorbereitungshallen die Überwachung mittels eines Kamerasystems.

Wie bei den Springpferden wird auch bei den Dressurpferden der Hinterbeinschutz verboten werden, um so Maßnahmen vorzubeugen, die unnatürliche Bewegungen hervorrufen. Sollten in unseren Kontrollen Ausbildungsställe durch nicht regelkonformes Verhalten auffallen, werden diese von der Körung verwiesen.

... Das Training der Aussteller zu Hause können wir nicht überwachen und kontrollieren. Aber wir appellieren an alle, uns keine Hengste in unnatürlichem Bewegungsmuster bzw. Freispringmanier zu präsentieren. Es ermöglicht sowohl uns als Körkommission keine neutrale Bewertung der Veranlagung, als auch unseren Kunden keinen wahren Blick auf die Talente ihres zukünftigen Zuchthengstes bzw. Sportpartners.“ 
So zitiert der St.Georg Thomas Münch.

Seit dem Weggang von Wilken Treu gibt es in Westfalen keinen Zuchtleiter. Der Job wird kommissarisch vom Chefvermarkter Thomas Münch "miterledigt". Ihm zur Seite steht Carsten Rotermund als Geschäftsführer. Die beiden sind erst seit einem Jahr dabei und mitnichten seit langem in entsprechenden Gremien vertreten.

Mit ein paar mutigen Entscheidungen revolutionierten die beiden die Hauptkörung im November. Gamaschen und Hufglocken wurden vom Verband gestellt und auch kontrolliert, ein zweites Freispringen über einen einzelnen freistehenden Sprung sorgte in der ganzen Branche für Aufsehen. Bei dem ein oder anderen vermutlich auch für Herzklopfen und Angstschweiss.

Das hat Vertrauen geschaffen, nicht  nur bei den coronabedingt wenigen Zuschauern vor Ort, sondern offensichtlich auch bei Interessenten und Bietern zur anschliessenden Auktion. Die Bieterstruktur wurde zahlreicher (die Rede ist ausdrücklich nicht von Höchstpreisen), doch zahlreiche Bieter beleben nunmal das Geschäft. Wodurch gerade im Mittelmass der ein oder andere Preis deutlich über die Rückkaufsgrenze gewuppt wurde. Und das wollen doch alle? Eine solidere Preisstruktur für die Aussteller, gerade in der Breite getragen von einem soliden Mittelmass?

Zuchtleiter und offizielle Vertreter einer ganzen Branche machten sich schon seit langem Gedanken. Geschehen ist nichts.
In Westfalen sind einfach mal Zwei gekommen und haben gemacht. Ein pfiffiger Vermarkter an Seite seines regen Geschäftsführers haben spontan mehr bewegt als alle anderen Verbände, Gremien und Ausschüsse nebst FN zuvor. Tierschutz und Transparenz.

Die seit 2017 drohenden Leitlinien "Tierschutz im Pferdesport" des Bundeslandwirtschaftsministeriums schweben nun schon drei Jahre über den Köpfen von FN und Verbänden. Drohend insbesondere deshalb, weil die Leitlinien die Altersgrenze für den Beginn der Ausbildung zum vorgesehenen Nutzungszweck auf 30 Monate festlegen. Harter Tobak für eine Branche, die sich von dem tradierten Körsystem zweijähriger Hengste alljährlich im Herbst abhängig gemacht hat. Auf dessen Einkünfte aus Gebühren und Provisionen kann kein Verband zum Bilanzjahresende verzichten. So die Provisionen und Gebühren zu den medienträchtig gefeierten Höchstpreisen auch wirklich abgerechnet werden.

Es drohen empfindliche Einschnitte und zwangsweise Reformen, sollte tatsächlich eine altersgerechte Körung erst im Folgejahr dreijährig stattfinden. Das scheint jedoch niemand wirklich zu wollen. Man staunt, wie erfinderisch daher der Auslegungsspielraum von Attributen wie "Ausbildung" selbst von veterinärmedizinschen Offiziellen der FN in Warendorf ausgelegt wird. Hier diskutierten Zuchtleiter und Offizielle dieser Tage das Körsystem der Zukunft anhand verschiedener Modelle. Die Modelle erreichten die einschlägigen Medien per Pressemitteilung im Vorfeld und wurden überall brav abgedruckt. Nachgefragt hat niemand.

Im aktuellen Züchterforum 12/2020 widmet Stefan Bischoff sich der denkwürdigen Sitzung und hakte nach. Zum Beibehalt der Variante "Körung im Herbst zweieinhalbjährig" schreibt er:

"... auffällig dabei war zunächst, dass die Beibehaltung ... von einem Beginn der Ausbildung mit 26 Monaten ausgeht. Warum hier von den in den Leitlinien angegebenen festgelegten 30 Monaten abgewichen werden soll, war zunächst unklar."

Sinngemäss erläutert die Leiterin der veterinärmedizinschen Abteilung der FN in kreativ anmutenden Ausführungen:

-die Ausbildung beginnt im Fohlenalter (Aufhalftern, Hufe geben etc)
-Art und Weise des Umgangs und der Aufzucht junger Pferde sind Bestandteil der Ausbildung
-es steht nicht nur der Zeitpunkt des Beginns der Vorbereitung im Fokus, sondern auch Ausbildung und Haltung
-Verweis auf Kapitel 5.1.2. der Leitlinien "eine Gewöhnung z.B. an Zaumzeug und Longe vor dem 30. Monat in behutsamer Weise möglich"

"eine Anpassung der Rahmenbedingungen sowie der Intensität der Vorbereitung ... ist essentiell."
[meint besagte "Ausbildung" und Haltung bereits während der Aufzucht und in Folge erst der Vorbereitung]

Behutsames Zäumen und Longieren ist also nicht gleichbedeutend mit Zäumen und Longieren an sich und daher statthaft?
Solange man also behutsam vorgeht, kann man auch an dem althergebrachten Körmodell zum Jahresende festhalten?

Berücksichtigt man Alter und Papier i.S. der vorliegenden 30 Monatsregel, müsste man den Jahrgang zwangsläufig zweiteilen. Für die Herbstkörung könnten nur noch frühgeborene Hengste in Vorbereitung gehen. Die Körung der Geburtsmonate Mai und später müsste daher ins Folgejahr fallen. Das will niemand. Daher ein umfangreicher Exkurs auf Haltungsbedingungen und Aufzucht, die das Prozedere behutsam rechtfertigen?

Wir reden von einer Branche, die so viel Vertrauen geniesst, dass  vermehrt Stewards zur Überwachung der Geschehnisse hinter den Kulissen [eingesetzt werden]. Sowohl im Stall als auch bei der Vorbereitung. Zusätzlich planen wir in den Vorbereitungshallen die Überwachung mittels eines Kamerasystems. ... Hinterbeinschutz verboten werden, um so Maßnahmen vorzubeugen, die unnatürliche Bewegungen hervorrufen. ... Das Training der Aussteller zu Hause können wir nicht überwachen und kontrollieren.

Das Züchterforum erweist dennoch den gebotenen Respekt, der Autor bezieht höflich Stellung:

"Da stellt sich doch die Frage, ob man nicht gleich einen grossen Wurf anstreben soll, eine Reform, die für Jahre und Jahrzehnte Bestand hat, damit sich der Aufwand auch lohnt. Das Anstreben des kleinsten gemeinsamen Nenners mit fast schon bewusst zu erkennenden, weiteren Sollbruchstellen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung [Stichwort Tierschutz] wirkt wenig überzeugend und hat unter Umständen nur kurze Zeit Bestand."

Da bin ich ganz bei Stefan Bischoff und staune, dass er nicht noch klarere Worte gefunden hat.

Jetzt erscheinen die wissenschaftlichen Datengrundlagen also nicht befriedigend, das wurde im Zuge der Verhandlungen deutlich. Die FN Zuchtbeiratsitzung deutet an, man wolle von Seiten der FN auch eigene Studien dazu unterstützen .

Hört, hört.
Die Leitlinien sind seit 2017 in Arbeit. Was haben die verantwortlichen Zuchtleiter, Gemien und Ausschüsse der FN in den drei Jahren getan?

Ich habe weder Pferd noch Landwirtschaft studiert.
Der gesunde Menschen- und Pferdeverstand in Verbindung mit entsprechender Erfahrung und einhergehender eigener Jungpferdeausbildung reicht völlig aus. Ich benötige keine Studie, die mir den Zusammenhang von Schaden und Nutzen früher oder verfrühter Ausbildung, insbesondere in Verbindung nicht artgerechter Longierzirkel und "behutsamer" Beizäumung erklärt.

Hier duckt sich der nominelle Sachverstand unserer deutschen Zuchtverbandsorgansiationen im Kollektiv vor der Notwendigkeit weg, endlich klare Entscheidungen zu treffen.

Was sollen "weitere Studien" anders ergeben, als einen wenig subtil unternommenen Ausweg aus einem Dilemma zu finden, den diese Branche unter Leitung eben dieser "Sachverständigen" sich über die letzten Jahrzehnte selber eingebrockt hat?
Zeit kaufen und einmal mehr politischen Entscheidungen, die dann in nicht mehr revidierbare Gesetze gegossen sind, hinterherlaufen?

Da wünscht man sich doch einen einzigen pfiffigen Vertriebler an Seite eines regen Geschäftsführers, der die Dinge in die Hand nimmt und einfach mal macht ..

 

30.12.2020 Wider den Zuchtfortschritt?

Der Zuchtfortschritt gilt als oberstes Gebot in der modernen Sportpferdezucht, aber ist er das wirklich noch?
Ein paar kritische Gedanken zum Zuchtfortschritt, und was der Vollbluteinsatz damit zu tun hat ...

In der Springpferdezucht liegt die Latte bei 1,60 und damit dürfte das Lauftier Pferd seine natürlichen Grenzen erreicht haben.
Mächtigkeitsspringen über zwei Meter sind nie Zuchtziel gewesen und werden es auch nie werden. Aus gutem Grund.

Vermögen ist das Ziel, doch der Zuchtfortschritt des Springpferdes ist physikalischen Grenzen unterworfen.
Heritabilität in der Springpferdezucht ist deutlich geringeren Ansprüchen unterlegen, als die Vielzahl der Kriterien, denen ein Dressurpferd gerecht zu werden hat. Ein bisschen verhält es sich daher bei Sprinpferden wie im Rennsport:
"They run in all shapes!"

Im Rennsport hört man nicht von Zuchtfortschritt reden, aus gutem Grund.
Auch hier setzt der Speed physikalische Grenzen. Es sind seit Jahrhunderten die selben.

Was wollen wir am modernen Springpferd also noch verbessern, ausser persönlicher Befindlichkeiten hinsichtlich des Typs?
Manch einer bemängelt altbackene Pferde. Eine Frage des Geschmacks, keine Frage der Qualität. "Schwerfällig" und "langsam" sind durchaus Attribute qualitativen Anspruchs. Meist geht aber gerade dieser zeitraubende Aufwand der Bewegungsabläufe einher mit  eben dem gewünschten Quentchen "mehr" an Vermögen. Kraft schöpft man nicht aus filigranen Modellen. Sieht man sich daher die Championatspferde der letzten Dekaden an, war und ist die Zeit geprägt von aufwändigen, schweren und langsamen Champions:
Willi Mellingers Calvaro, der "weisse Riese", Cento, Carthago (der die heutige Springpferdezucht hinsichtlich Vermögen immer wieder auch als Muttervater prägt, wie kein Zweiter), Cornado, Cumano, Berlin ...
Der legendäre Milton, Cruising, Pialotta, Ratina und andere Heroen des Springsports sind zwanzig Jahre her und mehr - sind sie wirklich vom Zuchtfortschritt überholt? Ich wage die Behauptung, auch ein weltmeisterlicher Fire (Norbert Koof) wäre heute noch ein ordentliches Championatspferd. Was kann man daran noch "verfortschrittlichen"?

Wir erhöhen also die technischen Anforderungen und die Pferde müssen wendiger werden. Das geht auf  Dauer nur über Vollbluteinsatz. Vollblut unterliegt keinerlei Zuchtfortschritt i.S. von Veränderung. Ergo unterliegt auch die nachhaltig notwendige Konsolidierung mittels Bluteinfluss keinem Zuchtfortschritt. Sie unterliegt lediglich der Erkenntnis um die Notwendigkeit von Vollbluteinfluss. Diese Erkenntnis ist so alt wie die Sportpferdezucht, also gut und gern einhundert Jahre alt. Ohne Schmieröl läuft der beste Motor nicht. Das ist nicht Zuchtfortschritt sondern ein physisches Gesetz und damit in keiner Weise Veränderungen unterworfen.

Mir persönlich ist ein schwerer, aufwändiger und langsamer Springer lieber als ein wendiges Wiesel. Weil es ein nur schwer in Worte zu fassendes Sprungerlebnis ist, wenn so ein Brummer unter dem eigenen Sattel in seiner Bascule geradezu "explodiert" und dem Reiter mit jedem Sprung ein Feuerwerk unter das Gesäss zaubert. Dafür lass ich jede wieselflinke Granate gern stehen. Beide haben ihre Grenzen bei 1,60. Der Rest ist Haarspalterei.

Ist es nicht?

In der Dressur haben wir den sog. Zuchtfortschirtt inzwischen klar überdreht und züchten Pferde, die in vielerlei Hinsicht unnatürlich und demzufolge defekt und anfällig sind. Viel zu weit weg von dem naturgegebenen Lauftier Pferd hat der "Zuchtfortschritt" hier die naturgegebenen Grenzen weit überschritten. Besinnung auf Rückschritt täte gut und wäre ein grosser Fortschritt.
Weniger zirzensisch in der Aufmachung, stattdessen solide bodenständig auf stabilem Fundament, weniger überbeweglich, dafür mit einem naturgegeben gesunden Verhältnis von Belastbarkeit zu Sehnen, Bändern und Gelenkapparat, das ganze Konstrukt einem Grössenverhältnis angemessen, wie die Natur es vorsieht. Giraffen leben zurecht in der Savanne. Grasfresser bedürfen der Bodennähe und gesunder Fluchtreflexe. Einmeterachtzig? Es hat seinen Grund, dass das Zeitalter der Saurier nur von kurzer Dauer war. 
Alle anderen Ansprüche an das moderne Sportpferd lassen sich in einem einzigen Begriff zusammenfassen: harmonisch.

Ein harmonisches bodenständiges Pferd mit drei funktionalen Grundgangarten und einer Lebenslaufzeiterwartung von 20 Jahren ist heutzutage bereits die Ausnahme. Da müssen wir uns doch alle mal an den Kopf fassen?

Besinnen wir uns also darauf, einfach wieder gesunde und funktionale Pferde zu züchten und bewegen uns in diesem Bemühen gern fünzig Jahre zurück. Vermutlich wäre das der grösste Zuchtfortschritt.

 
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