Es war einmal ein westfälischer Züchter, der lebte in Hessen und war beruflich viel im Ausland unterwegs. Um so mehr erfreute ihn die Kunde, die man sich in aller Welt über die neue Landstallmeisterin in Westfalen und ihr Sportkonzept zu sagen hatte – und es erfüllte sein Herz mit Stolz, Westfale zu sein. Denn wenn auch sonst nirgendwo auf der Welt mehr angebracht, so war der Nationalpatriotismus in der Pferdezucht bis heute lebendig geblieben – und überall verstanden. Denn Pferdezucht hatte etwas mit Tradition zu tun – und da durfte man immer stolz sein auf die heimischen Erfolge. Und von Erfolg schien es getragen, dieses Sportkonzept aus Westfalen: zwar hatte man schon immer von westfälischen Weltmeistern gehört, doch nun wurden sie in Warendorf nicht nur produziert, sondern auch bis zur Reife gefördert und vorgestellt – und der westfälische Züchter konnte nun selbst unter Bundeschampions und Weltmeistern wählen – welch gediegener Stolz da nicht manch ein Züchterherz höher schlagen liess!
Und so kehrte auch unser westfälischer Züchter bald wieder in die Heimat zurück, nicht zuletzt, um aus der Nähe diese Freude zu geniessen. Um so mehr erfüllte es sein Herz mit Befremden als er erleben musste, daß die besten und erfolgreichsten dieser Hengste – kaum gewonnen, schon zerronnen – alsbald die Heimat verließen und fortan unter holländischer Berittmachung fernab der Heimat zu sehen waren. Was musste das für ein talentiertes Oranjemädchen sein, die den Westfalen da vormachen sollte, wie man Spitzenhengste zur Grand-Prix-Reife förderte? Und was war das nur für ein Konzept, bei dem die besten die Heimat verließen und ins Ausland gingen? Das hatte er außer im sozialistischen Osten noch nirgendwo auf der Welt erlebt. Wie war es da um die Motivation der Daheimgebliebenen bestellt und den Ansporn, neuen Mehrwert zu schaffen?
Von einem „Landstallmeister Hinnemann“
sprach man in Warendorf und davon, daß die Westfalen stolz sein sollten, ihre
Hengste in diese vorzügliche Berittmachung auf dieser hochmodernen
EU-Besamungsstation geben zu können – als schmückendes Beiwerk sozusagen zu
solchen Pferden wie Roman Nature und Weltino... Von Globalisierung und
grenzübergreifenden Kooperationen war da die Rede. Donnerwetter! Das hatte er
bislang in der Pferdezucht noch gar nicht für möglich gehalten – war doch jedes
Zuchtland stolz darauf, seinen Brand höchstselbst in aller Welt zu vermarkten!
Unser Züchter verstand seine Welt nicht mehr.
Und doch – hatte nicht Leon Melchior selbst, der Zar von Zangersheide
und
Mäzen der belgischen Pferdezucht schlechthin, kürzlich seinen Starbereiter
gedungen, die Nationalflagge zu wechseln und endlich die eigenen Farben im Sport
zu vertreten - ? Und niemand hatte das provinziell oder engstirnig gefunden. Im
Gegenteil. Und so fuhr unser Züchter wieder nach Westfalen zurück und das Herz
wurde ihm schwer: mehr und mehr Hengste verliessen die Heimat, Laurentianer
sollte Fidermark bald folgen, und plötzlich verspürte er keine rechte Freude
mehr daran, diese westfälischen Hengste unter fremdem Beritt im Viereck zu
sehen. So nahm er denn seine eigene kleine westfälische Stute und zog mit ihr
nach Oldenburg. Und das Herz war ihm schwer, denn er war stolz auf seine kleine
Stute, von bestem westfälischen Blut war sie, und jahrgangsbeste in der
Leistungsprüfung, und eigentlich sollte sie westfälischen Farben in Sport und
Zucht zur Ehre gereichen, aber mit der Freude am kleinen Nationalstolz war ihm
auch die Freude an der westfälischen Ehre genommen. Und in Oldenburg, so dachte
er, da wurden Oldenburger Hengste noch von Oldenburger Reitern im Oldenburger
Land vorgestellt. Doch halt - ! Hatte er da nicht etwas übersehen? Oldenburg
hatte auch eine Grenze zu den Niederlanden! Hätte er da nicht besser gleich
zurück nach Hessen gehen sollen?
Maastrich 1998
Ressourcen sinnvoll nutzen (ein Leserbrief an die Reiter und
Pferde in Westfalen aus Dezember 2000, der damals auch abgedruckt wurde)
Das Finale des Nürnberger Burgpokals in der Frankfurter Festhalle am
9.Dezember d.J. versprach aus westfälischer Sicht besonders interessant zu
werden:
Fidermark, der Landbeschäler in Warendorfer Diensten, hatte sich unter Marlies
van Baalen qualifiziert.
Selbst grösster Fan dieses Ausnahmepferdes und im Besitz einer Tochter des
Fidermark machte ich mir also gern die Mühe bereits morgens um 5 Uhr aufzustehen
und die 300 Autobahnkilometer von Münster nach Frankfurt hinter mich zu bringen.
Seit er 4jährig das Bundeschampionat gewonnen hat habe ich den Werdegang dieses
Pferdes aufmerksam verfolgt, bin ihm zu vielen Vorstellungen nachgereist und
konnte immer wieder erleben, wie er mit seiner unvergleichlichen Ausstrahlung
die herzen der Zuschauer im Sturm erobert - fürwahr ein Aushängeschild der
rheinisch-westfälischen Pferdezucht! Man durfte also gespannt sein. Nicht
zuletzt weil er das Titelbild der Dezemberausgabe einer bekannten deutschen
Fachzeitschrift ziert - kann man sich eine bessere Werbung für Westfalen
wünschen?- erwartete ihn auch das grösstenteils nicht-westfälische Publikum mit
grösster Spannung. Als er dann in die schon am frühen Morgen gut besuchte
Festhalle trabte dauerte es auch nur wenige Augenblicke bis die ersten "Ahs" und
"Ohs" zu hören waren - seine Ausstrahlung ist einfach unvergleichlich! Dass die
Hochstimmung sich dann im verlauf der mit Patzer durchsetzten Prüfung verlor ist
schade, aber verzeihlich: einen schlechten Tag kann jeder mal haben. Schlimmer
waren die Bemerkungen, die dann im Publikum zu hören waren: "N R W ?" -
"Niederländer Reiten Westfalen!" ... "Haben die denn in Westfalen selber keine
gescheiten Reiter?" Der Spott tut weh. Das ist also der Eindruck, den Westfalen
nach aussen vermittelt? So ganz das Gegenteil von dem, was der durchaus
begrüssenswerte Sporteinsatz dieses Ausnahmepferdes eigentlich zu bewirken
sucht? Haben wir Westfalen das wirklich nötig? hat nicht vielmehr das
nordrheinwestfälische Landgestüt selbst mit Michael Farwick in Warendorf einen
der begabtesten Reiter in seinen eigenen Reihen, um den selbst manch ein
solventer Sportstall es beneidet? Wir wollen nicht vergessen, dieser Michael
Farwick war es, der Fidermark zu seiner glanzvollen Turnierkarriere verholfen
hat - von der ersten Reitpferdeprüfung bis zum St.Georg - und der uns mit
Laurentianer dieses Kunststück so eindrucksvoll auch in diesem Jahr gerade
wieder demonstriert. Was also liegt näher, als die gegebenen Ressourcen dankbar
zu nutzen und zusammenzuführen was zusammengehört - zur Freude aller rheinischen
und westfälischen Züchter?! Man stelle sich einmal vor: des "Kaisers"
Landbeschäler gingen unter Piet Raymakers im Parcours! Der Skandal wäre unerhört
- und durchaus berechtigt.
Der nächste öffentliche Auftritt dieses rheinisch-westfälisch-niederländischen Paares wird sicher nicht lange auf sich warten lassen: der Rolinck-Cup im Januar in Münster steht vor der Tür - mitten im Herzen Westfalens. Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. mir jedenfalls hat dieses Erlebnis in Frankfurt die Freude auf ein Wiedersehen mit Fidermark im Dressurviereck gründlich verdorben. denn Schmäh tut weh. Ganz besonders, wenn sie völlig unberechtigt ist.
Staatsdiener im Auslandseinsatz
(ein Leserbrief an die Reiter und Pferde in Westfalen aus dem Jahr 2001, der seinerzeit nicht abgedruckt wurde)
... das gibt es eigentlich nur bei der Bundeswehr, und selbst da ist es äusserst umstritten. Nicht so bei den Staatsdienern des Nordhrein-Westfälischen Landegestütes in Warendorf. Zwar glänzte der Kaiser Johannsmann mit gewohnt schönen Bildern auf dem Turnier der Sieger in Münster, Fidermark und Laurentianer jedoch, die Aushängeschilder des Dressurviereckes, glänzten lediglich durch Abwesenheit. Von Fräulein van Baalen war zu hören sie liesse sich entschuldigen und bäte um Verständnis dafür, dass sie an diesem Wochenende Starts in Rotterdam vorzöge, Ihre Teilnahme auf gewissen niederländischen Turnieren sei Voraussetzung für Ihr weiteres Fortkommen in heimischen Landen, darüber hinaus gelte es gewisse Auflagen der niederländischen FN zu erfüllen bevor diverse Starts auf deutschen Turnieren zulässig seien. Verständnis kommt von Verstehen. Nun ist es aber eigentlich gar nicht so recht zu verstehen, dass den deutschen Züchtern, die mit ihren Steuergeldern nicht nur den Unterhalt dieser Hengste sondern auch deren ganz gewiss aufwendige Ausbildung finanzieren, gerade diese Hengste vorenthalten bleiben – noch dazu in der westfälischen Heimat auf einem Turnier mit Renommée und Format, welches darüber hinaus auch noch vom westfälischen Reiterverband organisiert und mitgetragen wird. Werden wir uns also weiterhin mit markigen Sprüchen in den bunten Seiten der Auktionskataloge trösten müssen, wo dann gewiss zu lesen sein wird, dass Fidermark und Laurentianer einen weiteren S-Sieg in den Niederlanden errungen haben – und gewiss gibt es ein hübsches Hochglanzfoto dazu – das brauchen wir dann aber auch, denn wer weiss noch, wie diese Hengste eigentlich aussehen, wir bekommen sie ja in der Heimat gar nicht mehr zu sehen...
Fidermarks Tod
ein Leserbrief an die ZüchterStammtischpost im Jahr 2003, der seinerzeit
nicht abgedruckt wurde.
Anlass war das Titelbild der damaligen Ausgabe, das Laurentianer (
Hannoveraner) unter Marlies van Baalen (Ndl.) zeigte, das ganze tituliert
als " Botschafter Westfalens"
Nun ist es also von höchster Stelle offiziell bekundet: an
Kreislauf- und Herzversagen ist er eingegangen, dieser wohl bemerkenswerteste
Stempelhengst, den Warendorf in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Es liegt mir fern diese Diagnose in Frage stellen, und das
soll auch nicht Sinn dieses Schreibens sein. Ist doch die Logik, die dieser
Diagnose zu Grunde liegt so simpel wie die Erkenntnis selber, dass
selbstverständlich immer ersteinmal das Herz den Dienst versagen muss bevor der
Tot dann eintreten kann.
Sollten wir daher statt die Symptome seines Todes zu
hinterfragen nicht vielmehr nach den eigentlichen Ursachen fragen, die
letztendlich diese Symptomatik heraufbeschworen haben?
Angeblich sei der Gesundheitsszustand dieses Hengstes schon
immer recht labil gewesen, in den einschlägigen Tierkliniken habe man ihn und
seine Betreuer bereits mit Handschlag begrüsst, erzählt man sich. Sogenannte
Insider reagierten auf Nachfrage nach Fidermarks Gesundheit immer nur mit
abwinken und selbst von offizieller Seite sind in den letzten Jahren viele
seiner geplanten Auftritte auf Hengstschauen und Turnieren wegen
gesundheitlicher Unpässlichkeiten abgesagt worden.
Wenn dem also so ist – muss man sich da nicht fragen
weshalb ein ohnehin gesundheitlich labiler Deckhengest dessen Vererberqualitäten
aber ganz offensichtlich ausser Frage standen überhaupt noch des sportlichen
Einsatzes wegen zu Hochleistungen herangezogen wurde?
Die Zahl seiner in nur wenigen Deckjahren gekörten Söhne
spricht für sich, und wir können wohl getrost davon ausgehen, dass die
Körkommissionen der nächsten 2 Jahre die 50 annähernd voll machen werden– im
Vergleich zu Donnerhall, der es bis ins Alter von immerhin 17 Jahren zu bislang
über 70 gekörten Söhnen gebracht hat eine Zahl, die damit dann sehr wohl für
sich spricht.
Und litt nicht auch die Samenqualität angeblich unter
dieser Doppelbelastung, so dass diesem Ausnahmepferd im letzten Jahr nur noch an
die sechzig Stuten zugeführt wurden -?
Hinzu kommt die ausländische Berittmachung, die diesen
Sporteinsatz zumindest für einheimische Züchter immer in Frage stellte.
Eine Menge guter Gründe also, die dafür gesprochen hätten,
dieses offensichtlich überstrapazierte Pferd beizeiten zurück in die Heimat zu
holen und ihn uneingeschränkt das tun zu lassen wozu er eigentlich gedacht war:
Stuten und Züchter gleichermassen zu beglücken. Immerhin handelt es sich um
einen Landbeschäler, der nicht zuletzt aus Züchters Steuergeldern finanziert
wurde.
Ist dann die Frage nach dem „warum eigentlich?“ nicht
legitim?
Und warum stellt sie keiner?
Ist uns dieses Pferd an die Eitelkeit einiger weniger
Privilegierter verlorengegangen?
Ein salbungsvoller Nachruf und alle Offiziellen nicken wohlwollend mit
ihren Häuptern dazu.
Bitter.
Dass man sich auch an höchster Stelle der Umstrittenheit
seiner Berittmachung durchaus immer bewusst war beweist Frau Rimkus höchstselbst, die
sich immer zur Hengstschau, wenn er denn unter seiner Reiterin hereintrabte und
die Züchterherzen den beiden eben nicht uneingeschränkt entgegenflogen, genötigt
sah zu erklären: „Wir (die westfälischen Züchter) müssen uns glücklich schätzen
für dieses aussergewöhnliche Pferd eine so talentierte Reiterin überhaupt
gefunden zu haben!“
Damit dürfte sich dann die Frage nach der Ursache seines
Todes auch ohne veterinärmedizinisches Gutachten allerdings zum Teil selbst
beantworten:
der Hengst wird sich totgelacht haben.
29.5.2019
Netzfunde
Ganz und gar verblüfft war ich angesichts dieses aktuellen Beitrages einer
engagierten Züchterin in einem Züchterforum zum Thema:
"Funktionale Anatomie - anatomische Veränderungen des Dressurpferdes aufgrund
künstlich angezüchteter Bewegungen unserer heutigen Sportpferdezucht"
Diese
Hinterhand wurde jahrelang als Optimum gepriesen. Funktionell aufgeteilt,
gedrittelt. Die Längen Hüfthöcker - Sitzhöcker, Sitzhöcker - Knie und Knie -
Sprunggelenk so gut wie gleich lang. Dadurch eher einfach zu setzen. Die
senkrechte Linie des Hinterbeins im Lot mit der Kruppe. So ein Pferd kann Last
aufnehmen, und wie man sieht, senkt er sich auch sehr gut ab. So etwas sieht man
heute nur noch selten. Sie trampeln auf der Stelle, ohne unter zu treten,
geschweige denn, sich abzusenken.
Unschwer zu erkennen, welches Pferd die Autorin als Lehrbuch Beispiel für ihre
Stellungnahme ausgewählt hat: Fidermark.
Sie spricht mir aus der Seele. Ich hoffe sehr, mit meinen Töchtern des Fidermark
eine angemessene Stutengrundlage für eine leistungsorientierte Sportpferdezucht
gefunden zu haben. Funktionale Pferde von hinten nach vorn eben, ganz im Sinne
der klassischen Dressur.